Worin liegen also die Hauptvorteile des Schulterschlusses für die Anwender etwa im Bereich der TGA-Fachplanung?
Schmidt: Graphisoft hat über die Jahre einige Technologien entwickelt, die das DDScad-Funktionsspektrum sinnvoll erweitern. Ich denke hier etwa an die hochwertigen Kollaborations- und Visualisierungsmöglichkeiten, die nun auch Anwendern aus dem TGA-Bereich zur Verfügung stehen. Hinzu kommen die bereits erwähnten, größeren personellen Kapazitäten in der Softwareentwicklung, von denen am Ende die Anwender profitieren.
Vor allem aber stehen wir für die enge disziplinübergreifende Zusammenarbeit, durch die herausragende Bauwerke entstehen können. Wir unterstützen seit vielen Jahren Architekten mit Archicad sowie Fachhandwerker und -planer mit DDScad. Durch die Synergien, die sich durch unseren Zusammenschluss ergeben, können wir jetzt auch für multidisziplinär arbeitende Projektteams einen noch größeren Mehrwert schaffen.
Können Sie unseren Leserinnen und Lesern bitte ein konkretes Beispiel für jene Synergien zwischen den Software-Welten von Archicad und DDScad machen?
Schmidt: Durch die konsequente Weiterentwicklung der App BIMx lassen sich hierüber jetzt Projektdaten aus Archicad und DDScad auf sämtlichen Plattformen und über alle mobilen Endgeräte abrufen und visualisieren. Sie können also virtuell ein Gebäude besichtigen, etwa um den Baufortschritt zu kontrollieren. Sie können aber auch die Elektro-Verteilerdokumentation eines Projekts öffnen und von hier aus direkt zu einem Schaltschrank im 3D-Modell springen. Hier zeigen sich die Synergien ganz deutlich: Archicad- und DDScad-Anwender können Bauherren ihr geplantes Projekt realitätsnah vorstellen und Partnerunternehmen kostenfrei einen zusätzlichen Service bieten. Und für die Ausführenden ist es einfach praktisch, ein solches Kontrollwerkzeug auf der Baustelle zu haben.
Clajus: Im kommunalen Bereich ist das ein bisschen anders. Es gibt dort oftmals schon Softwarelösungen, wie bei einer Stadt in Nordrhein-Westfalen, die ich als BIM-Manager unterstütze. Hier war schon eine Software aus der Nemetschek-Welt vorhanden. Es ist natürlich von Vorteil, dass ich dann als BIM-Consultant schon weiß, wie die Software „tickt“. Denn gewisse Grundzüge sind immer gleich, egal ob es sich um Architektur- oder TGA-Anwendungen handelt. Jedoch muss man Open BIM auch mit anderen Softwares „leben“ können. Die TGA hat dabei sehr großen Einfluss auf die Architektur. Genau dieser Punkt wird leider sehr oft unterschätzt oder die beiden Bereiche nehmen sich gar gegenseitig als „Störfaktoren“ wahr.
Warum klafft da oft noch eine solche „Lücke“ zwischen Designorientierung einerseits und TGA andererseits?
Clajus: Kurz und trocken: Weil manche an Bauprojekten Beteiligte immer noch rein designorientiert denken. Zum Beispiel möchte der eine einfach einen großen Durchgang mit viel Tageslicht haben, der andere wiederum muss sich darum kümmern, dass die RLT-Anlage und das Sprinklersystem ihren Raum haben. Genau da ist der „Zwiespalt“.
Die gute Nachricht ist, dass wir diese Lücke natürlich schnell schließen können, wenn wir innerhalb einer entsprechenden Softwarelandschaft arbeiten – weil wir Modelle austauschen können, weil die Anwenderinnen und Anwender direkt sehen und erkennen, wie sie ein baulich-technisches Problem gemeinsam lösen können.
Der gemeinsame, frühe fachliche Austausch ist doch genau das Thema! Nicht umsonst fordern viele Bauexpertinnen und Bauexperten ja schon länger eine Leistungsphase 0 als „integrales Zugpferd“. Sehen Sie da Bewegung im Thema?
Clajus: Es ist sehr zäh. Am Anfang schlage ich unseren Kunden deshalb immer vor, dass wir in der Zeit etwa um 20 Jahre zurückspulen. Sprich: Alle Stakeholder sitzen an einem Tisch, schauen sich gemeinsam die Pläne an, machen zusammen Skizzen und einen Konzeptentwurf. Damals hat die Leistungsphase 0 wunderbar funktioniert. Diese ist auch ein wichtiger Baustein in der digitalen Planung. Das sehen aber viele noch nicht bzw. nicht mehr. Aber wenn dieser Ansatz dann wirklich umgesetzt wird, gestaltet sich die Kommunikation in den Planungsbüros etc. viel besser. Auf den Punkt gebracht: einfach miteinander reden!