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Bauphysik

Holz-Plusenergiehaus verschiebt Standards

Dienstag, 31.07.2018

Wetterunabhängige Vorfertigung

Das Basismodul beim Holzfertigbau ist die Wand- bzw. Decken- oder Dachkonstruktion mit Riegelwerk und einseitiger Beplankung. Sinnvoll ist es bei nahezu jedem Bauvorhaben, die Bauelemente so weit wie möglich in der Werkstatt vorzufertigen, weil dadurch ein wetterunabhängiges und kontrolliertes Arbeiten am Boden ohne baustellenbedingte Schwierigkeiten möglich ist.

Die Vorfertigung beinhaltet dann über das Basismodul hinausgehend die beidseitige Beplankung des Riegelwerkes mit Dämmung, den fertigen Einbau der Bauelemente und bei Putzfassaden den Grundputz auf der Außenseite bzw. die fertige Holz- oder Plattenfassade. Beim Bauvorhaben "NEST4" waren die Elemente zur Montage beidseitig beplankt und gedämmt.

Direkt nach Fertigstellung der Tiefgarage und der beiden Versorgungstürme mit Treppenhaus und Aufzugsschächten aus Stahlbeton hat die Manufaktur die Baustelle "NEST4" übernommen. Planabweichungen im Bau waren in der Werkplanung für den Holzbau berücksichtigt und in einem Montageplan die genaue Lage im Grundriss und die Höhenlage der Wand- und Deckenelemente festgelegt.

Bei der Ausführung der Treppenhäuser in Stahlbeton und der restlichen Konstruktion des Gebäudes in Holzbauweise war darauf zu achten, dass beide Konstruktionen unterschiedlichen Verformungen im Bestand unterliegen.

Vorteile der Holzbauweise

Ein großer Vorteil der Holzbauweise gegenüber der Massivbauweise ist die starke Verkürzung der Bauzeit. In nur vier Wochen stand bei "NEST4" eine geschlossene Gebäudehülle und die Arbeiten konnten wetterunabhängig innerhalb dieser Hülle fortgesetzt werden.

Ein weiterer Vorteil sind schlanke Bauelemente mit einem sehr hohen Dämmwert, was die Nutzfläche im Gebäude gegenüber der Massivbauweise deutlich erhöht. Da es sich beim Holzbau um eine trockene Bauweise handelt, ist eine Austrocknung des Rohbaus nicht erforderlich, was auch hier eine erhebliche Zeitersparnis bedeutete.

Bei "NEST4" musste vor dem nahenden Wintereinbruch eine dichte Gebäudehülle hergestellt werden, was bei den genannten raschen Bauzeiten problemlos möglich war. Das Baufeld und die unmittelbare Umgebung der Baustelle waren für die Holzbau-Experten großzügig nutzbar, schwieriger dagegen gestalteten sich die Transporte der Bauelemente. Der Transportweg der großformatigen Elemente von der Fertigungsstätte bis zur Baustelle betrug rund 100 km.

Genehmigungen für den Transport großer Bauteile

Von der Manufaktur bis zur Autobahn musste man elf Kilometer Landstraße zurücklegen und schließlich vom Ende der Autobahn rund fünf Kilometer durch die Stadt München bis zur Baustelle gelangen. Alle Strecken auf der Landstraße und in der Stadt wurden polizeilich begleitet.

Die Autobahn-Strecke konnte man mit einem eigenen Begleitfahrzeug zurücklegen. In solchen Fällen sind die Fahrzeiten und Strecken mit den jeweils für die im Landkreis befindlichen zuständigen Ämtern zu koordinieren, Anträge zu stellen und die Genehmigungen abzuwarten. Der Transport darf jeweils nur zu den genehmigten Zeiten ausgeführt werden. Dies bedingt eine termingerechte Fertigstellung der einzelnen Bauteile und den entsprechenden Montagefortschritt auf der Baustelle.

Vom Antrag bis zur Genehmigung und dem eigentlichen Transport vergehen in der Regel bis zu drei Wochen. Die größten Teile, die hier transportiert wurden, hatten Abmessungen von 4,20 m in der Breite bzw. Höhe und bis zu 14 m in der Länge. Die Bauteile wurden liegend transportiert.

Die Montage selbst wurde schließlich mit einem Hochbaukran durchgeführt. Dabei musste man Kranstandplatz, Ausladung und Hublasten im Vorfeld genau abklären. Das Gebäude hatte eine Abmessung von etwa 11/50 m bei einer Höhe von etwa 13 m. Die maximalen Hublasten lagen bei etwa 3 t bei einer Aus­ladung von etwa 35 m.

Vom Passiv- zum Plusenergiehaus

Das energetisch hocheffiziente Gebäude wurde vom Passivhaus zum Plusenergiehaus weiterentwickelt und bietet den Bewohnern zukunftssichere, behagliche Wohnungen mit dauerhaft geringen Nebenkosten (Heizwärmebedarf: 15 kWh/m²a). Den Primärenergiebedarf für Heizung, Warmwasser und Haushaltsstrom konnte man so weit reduzieren, dass dieser im Saldo rechnerisch vollständig durch die eigenen Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien, wie Photovoltaik (hier: 450 m², 60 kWp), gedeckt werden kann.

Die Idee und Umsetzung des ressourceneffizienten Gebäudes wurde bereits mit verschiedenen Auszeichnungen belohnt: Zum Beispiel hat der BFW Landesverband Bayern e.V. und der Deutsche Werkbund Bayern e.V. das Bauvorhaben mit dem "Preis für Qualität im Wohnungsbau 2015" ausgezeichnet. "NEST4" überzeugte die Jury durch den "außerordentlich gelungenen Gleichklang ästhetischer, wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Qualitäten". Von der Stadt München erhielten die Planer den "Ehrenpreis für guten Wohnungsbau 2015" mit dem Juryurteil: "In Zeiten des Klimawandels ist das Projekt beispielhaft für eine nachhaltige Entwicklung für Wohnen im urbanen Raum."

Fazit

"Holz ist einer der wichtigsten Baustoffe der Gegenwart und Zukunft", betont Dipl.-Ing. Robert Bergmüller. "Mit dieser durch und durch ökologischen Bauweise schaffen wir heute nachhaltige Holzgebäude, die alle Vorteile des Materials auf lange Sicht bieten und ein gesundes Wohnklima garantieren."

Dipl.-Ing. Robert Bergmüller, Senior-Chef bei Bergmüller Holzbau und Präsident der Vereinigung ZimmerMeisterHaus.
Quelle: Fotografie Gabriel Büchelmeier/ ZimmerMeisterHaus-Gruppe
"Dass »NESt4« aus Holz gebaut ist, war nur dem Rohbau anzusehen", so Dipl.-Ing. Robert Bergmüller, Senior-Chef bei Bergmüller Holzbau und Präsident der Vereinigung ZimmerMeisterHaus.

Besonders gute Wärmedämmeigenschaften, angenehmes Raumklima, ein nachwachsender Rohstoff und somit ein ressourcenschonendes Bauen – all dies verbuchen Bauherren und Architekten auf der Plusseite von Holzgebäuden. Gute Voraussetzungen für zukunftsorientierte Bauten – auch innerstädtisch.

Von Eva Maria Mittner
Freie Journalistin
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