BIM

Kreativ mit System

TRIZ, Theorie des Erfinderischen Problemlösens

Montag, 24.07.2023

Lösungsprinzipien nutzen, um Widersprüche zu überwinden, ...

Die TRIZ-Methode hilft insbesondere dann, wenn Marktkenntnisse, Know-how und technisches Erfahrungswissen keine zufriedenstellenden Antworten liefern.
Quelle: B. Gronauer und H. Nähler, TRIZ-Akademie.de
Die TRIZ-Methode hilft insbesondere dann, wenn Marktkenntnisse, Know-how und technisches Erfahrungswissen keine zufriedenstellenden Antworten liefern.

... dafür eignet sich die Methode „TRIZ, Theorie des Erfinderischen Problemlösens“. Vor allem innovative Konzepte, wie Building Information Modeling (BIM) und Gebäude an sich, müssen Gegensätze clever vereinen. Das Bewältigen scheinbar unlösbarer Aufgaben folgt immer wieder gleichen Grundsätzen. Sie bieten auch abseits des reinen Trendfortschritts Denkanstöße, um nach Ideen zu suchen.

Beim Lösen von Problemen und dem Entwickeln von Neuerungen fällt stets das Stichwort „Kreativität“. Das gilt auch für das Entwerfen und Planen von Gebäuden und ihrer technischen Ausrüstung. Gestaltungskraft lässt sich über den scheinbaren Umweg der Abstraktion gezielt lenken. Deshalb stellt die systematische Methode „TRIZ“ vor allem für Techniker:innen eine nützliche Hilfe dar. Sie wurde von Genrich Saulowitsch Altshuller und Rafael Borissowitsch Shapiro unter Einfluss von Dmitri Dmitrijevitsch Kabanov in den 1950er-Jahren ins Leben gerufen. Worum geht es?

Kurzvorstellung TRIZ

„TRIZ“ ist ein russisches Akronym. Es bedeutet sinngemäß „Theorie des erfinderischen Problemlösens“ oder „Theorie zur Lösung erfinderischer Aufgaben“. Im Englischen ist sie auch als „Theory of Inventive Problem Solving“ (TIPS) bekannt. Sie unterliegt keinen Einschränkungen eines Urheberrechts und wird kontinuierlich weiterentwickelt. Im Gegensatz zu gängigen, frei assoziierenden Kreativitätstechniken, wie Brainstorming, ist TRIZ ein zielgerichteter Ansatz.

Ausgangsfrage von Altshuller war, ob erfolgreiche Innovationen bestimmten Gesetzmäßigkeiten unterliegen. Dafür erfasste er etwa 200.000 Patente. Anschließend erfolgte eine Auswahl und Wertung der 40.000, die technische Durchbrüche, allgemeingültige innovative Prinzipien und sogar Gesetze des Erfindens beschreiben können. Im Ergebnis entstand so eine empirisch gewonnene Sammlung an Erkenntnissen, Methoden und Werkzeugen zur Lösung erfinderischer Aufgaben und Prinzipien der Entwicklung. Zugleich bilden sie eine Wissensquelle und einen Denkleitfaden für technische wie unternehmerische Aufgaben.

Mit dem praxisnahen Ansatz von TRIZ können Probleme systematisch angegangen werden. Wichtig ist jeweils eine präzise Formulierung des Ziels. TRIZ wirft dazu die richtigen Kernfragen auf, die dann einzelfallspezifisch zu beantworten sind.

TRIZ ermöglicht es, mit bewährten Mitteln neue Wege einzuschlagen und beim erfinderischen Denken systematisch vorzugehen.
Quelle: B. Gronauer und H. Nähler, TRIZ-Akademie.de
TRIZ ermöglicht es, mit bewährten Mitteln neue Wege einzuschlagen und beim erfinderischen Denken systematisch vorzugehen.

Drei Maximen

TRIZ ist aus der Entwicklungspraxis für die Entwicklungspraxis abgeleitet, nicht aus psychologischen Überlegungen. Altshuller fiel früh auf, dass innovative Fragestellungen immer wieder auf die gleichen Widersprüche stoßen. Sie folgen auch gleichen Lösungsstrategien. Außerdem fand er Muster und Gesetzmäßigkeiten heraus, nach denen sich Produkte, technische und andere menschengeschaffene Systeme typischerweise (weiter-) entwickeln, so dass ihre Evolution und ihr Lebenszyklus vorhersehbar und planbar sind. Drittens: Eine Durchbruchs-Innovation erfordert immer das Überwinden von Widersprüchen. Um diese zu lösen, hilft oft eine externe Perspektive, Denkblockaden und Konventionen zu umgehen.

Mit TRIZ versuchen Fachleute also, schneller und effizienter zu Neuerungen zu gelangen – ohne dabei voreilig von einem Problem auf eine Lösung zu schließen. TRIZ kann in jeder Phase eines Innovationsprozesses ansetzen und ist inzwischen weltweit verbreitet: „MATRIZ Official“ ist Nachfolger der noch 1997 durch Altshuller gegründeten International TRIZ Association. Sie bildet TRIZ-Anwender und ‑Trainer nach standardisierten Levels aus und zertifiziert diese. Auch das Massachusetts Institute of Technology (MIT) erkennt die Methodik an und führt hierzu Lehrveranstaltungen durch.

In Deutschland unterstützt beispielsweise die TRIZ Akademie in Hünfeld Interessierte bei ihren Fragestellungen. Zudem widmet sich die VDI Richtlinie 4521 „Erfinderisches Problemlösen mit TRIZ“, Blatt 1 bis 3, der Methode. Blatt 1 „Grundlagen und Begriffe“ ist im September 2021 als neuster Teil erschienen.

TRIZ-Methodik in der Praxis

Auf Basis der genannten Maximen entwickelte Altshuller Mittel und Anleitungen für ein geordnetes Denken zu strategischen Aufgabenstellungen, zur Produkt- oder Prozess-Optimierung und ‑Weiterentwicklung sowie universelle Lösungswerkzeuge. Das TRIZ-Portfolio umfasst unter anderem zehn Entwicklungstrends technischer Systeme, 40 Innovationsprinzipien und 76 Standardlösungen. Das allgemeine Vorgehen zum Lösen erfinderischer Aufgaben lautet:

  • Ziel und den Kern des Problems klären.
  • Definition und Abstraktion der Fragestellung sowie Bezug auf die TRIZ-Problemmodelle.
  • Dies legt fest, welche Lösungsmodelle in Betracht kommen. Eines davon stellt die Widerspruchsmatrix zusammen mit den 40 Innovationsprinzipien dar. Die Lösungsmodelle bieten konkrete Ideen für die jeweils individuelle Lösung.
  • Lösungskonzepte ermöglichen, das Ergebnis zu evaluieren, mehrere Ideen parallel zu verfolgen oder die passendste Lösung auszuwählen.

Beispiel einer Produktentwicklung nach TRIZ.
Quelle: B. Gronauer und H. Nähler, TRIZ-Akademie.de
Beispiel einer Produktentwicklung nach TRIZ.

Die wichtigsten Werkzeuge

Gesetze der Entwicklung von Systemen

Sie geben Hinweise, wie sich ein technisches System entwickeln wird. Dabei stützen sie sich auf die Beobachtungen in der Historie. Die Voraussagen sind abstrakt, helfen aber als eine Art Vision dabei, konkrete weitere Schritte zu entwickeln.

Als notwendige Bedingungen für die Lebensfähigkeit eines technischen Systems nannte Altshuller zum einen die Vollständigkeit der entsprechenden Teile (Hauptteile und ihre minimale Funktionsfähigkeit), den Energiefluss durch sie sowie die Abstimmung der Rhythmik (Schwingungsfrequenz, Periodizität). Ein weiterer Punkt ist die Entwicklung aller Systeme hin zu einer Erhöhung des Grads ihrer Idealität. Hierbei ist unter „ideal“ ein funktionstüchtiges System zu verstehen, das physisch quasi nicht existiert. Das heißt, seine Massen/Volumina/Flächen streben gegen Null, gleichzeitig erbringt es dennoch seine Leistung, siehe Abbildung 2.

Das lässt sich an den Beispielen „Telefonieren“ und „Filme“ verdeutlichen: Beim ersten geht es im Grunde ja nicht um das Telefon an sich, sondern um den Wunsch, mit einer Person zu sprechen, die sich an einem anderen Ort als man selbst befindet. Die Evolution von den ersten Geräten bis hin zu modernen Mobiltelefonen zeigt gut, wie sich dabei die Abmessungen verkleinerten. Dies gilt auch für Filme, die zunächst im Kino, dann als Videokassette und später als DVD zur Verfügung standen – nun „immateriell“ durch Streaming-Dienste und Mediatheken.

In der Literatur werden sechs Wege zur Idealität aufgezeigt:

  • Eliminiere unterstützende Funktionen
  • Eliminiere Teile
  • Erkenne Selbstbedienung
  • Ersetze Einzelteile, Komponenten oder das ganze System
  • Ändere das Funktionsprinzip
  • Nutze Ressourcen

Die weiteren Entwicklungsgesetze nach Altshuller sind, dass sich die Teile eines Systems ungleichmäßig entfalten und das je mehr, umso komplizierter das System ist. Ist ein System ausgereift, wird es als ein Teil in ein Obersystem aufgenommen, was sich dann weiterentwickelt. Die Evolution der „Arbeitsorgane“ eines Systems erfolgt zunächst auf der Makroebene und anschließend auf der Mikroebene. Zudem erhöht sich der Anteil und die Rolle von Stoff-Feld-Wechselwirkungen.

40 Innovationsprinzipien

Die 40 Innovationsprinzipien mit Bezug zur Baubranche/BIM.
Quelle: Bettina Gehbauer-Schumacher auf Grundlage von www.triz-online.de
Die 40 Innovationsprinzipien mit Bezug zur Baubranche/BIM.

Eine Vereinfachung für die Praxis ist, die 40 Innovationsprinzipien zu gliedern. Bezogen auf die klassische Altshuller-Matrix kommen folgende zehn Grundsätze am meisten vor. Sie sind hier in der Reihenfolge ihrer Anwendungshäufigkeit in der Widerspruchsmatrix (siehe nächste Zwischenüberschrift) und mit ihrer jeweiligen Nummer genannt. Sie helfen somit bei einem Großteil der Aufgabenstellungen:

  • Eigenschaftsänderung/Aggregatzustand (Prinzip 35)
  • Vorgezogene Wirkung (10)
  • Zerlegung/Segmentierung (1)
  • Ersetzen des mechanischen Systems (28)
  • Abtrennung (2)
  • Dynamisierung (15)
  • Periodische Wirkung (19)
  • Ausnutzung mechanischer Schwingungen (18)
  • Farbveränderung (32)
  • Funktionsumkehr (Inversion) (13)

Widerspruchsmatrix

Die oben genannten Gesetze/Regeln und die 40 Prinzipien werden meist in Verbindung mit der so genannten Widerspruchsmatrix oder -tabelle genutzt.

In der Kopfzeile der Matrix sind relevante technische Parameter aufgeführt, die in gleicher Reihenfolge auch in der ersten Spalte genannt werden. Horizontal angeordnete Parameter sollen sich verschlechtern, vertikal angeordnete sich verbessern. Der Widerspruch zwischen einem Parameterpaar wird in dem Kreuzungsfeld der entsprechenden Zeile und Spalte angezeigt. Die Ziffern 1 bis 40 nennen die innovativen Grundsatzregeln, die bislang dabei helfen konnten, diesen Widerspruch zu überwinden. Die Hauptdiagonale der Matrix bleibt demzufolge leer.

Mit der Widerspruchsmatrix zu arbeiten bedeutet, sich zu allererst darüber klar zu werden, welche Parameter eines Systems sich verbessern sollen. Dann: Welche Parameter verschlechtern sich für gewöhnlich durch diese Fortschritte und welcher Zeile und Spalte lassen sich beide in der Widerspruchsmatrix zuordnen? Anschließend weist die Matrix auf die abstrakten TRIZ-Regeln hin, die beim Überwinden der jeweils auftretenden Widersprüche zur Lösung beitragen können.

Diese Prinzipien liefern keine fertigen Produkte, sondern dienen dazu, Gedanken anzuregen, wie sich die Widersprüche vom Grundsatz her auflösen lassen: Sie lenken die jeweiligen Experten dahin, eine Richtung einzuschlagen, die sich bereits bei anderen, vergleichbaren Fragestellungen als erfolgreich herauskristallisierten. Oft gelingt eine umfassende Lösung durch das Kombinieren unterschiedlicher Prinzipien.

Auszug aus klassischer Altshuller-Matrix: Beispiel Flanschverbindung und wie man anhand der Widerspruchsmatrix zu den hier erfolgversprechenden Innovationsprinzipien gelangt.
Quelle: B. Gronauer und H. Nähler, TRIZ-Akademie.de
Auszug aus klassischer Altshuller-Matrix: Beispiel Flanschverbindung und wie man anhand der Widerspruchsmatrix zu den hier erfolgversprechenden Innovationsprinzipien gelangt.

Abbildung 3 ist ein Auszug aus der klassischen Altshuller-Matrix. Sie veranschaulicht den Widerspruch bei der Flanschverbindung einer Turbine mit mehr als 100 Schrauben (hohes Gewicht, Montage aufwendig): Wenn weniger Schrauben verwendet werden, dann geht die Montage schnell (zu verbessernder Parameter = 33 Bedienkomfort) aber die Dichtigkeit ist nicht gewährleistet (zu verschlechternder Parameter = 27 Zuverlässigkeit). Der Kreuzungspunkt zeigt die Nummern der häufigsten Innovationsprinzipien, die in der Vergangenheit diesen Widerspruch lösten: „Übergang zu höheren Dimensionen“ (17), „Billige Kurzlebigkeit statt teure Langlebigkeit“ (27), „Gegenmasse“ (8), „Zusammengesetzte Stoffe“ (40). Es lohnt sich also, die eigenen Ideen demgemäß zu lenken und klug anzuwenden. Denn in Zeiten einer zunehmenden Bedeutung der Aspekte „Nachhaltigkeit“ und „Recyclingfähigkeit“ bei Bauten und Komponenten gilt es, beispielsweise die Innovationsprinzipien 27 und 40 bei ihrem konkreten Einsatz genau zu durchdenken.

Allgemein betrachtet lässt sich der Widerspruch zwischen dem Wunsch, die Masse eines Bauteils bei gleichzeitig geforderter statischer Festigkeit zu reduzieren, auch durch das Innovationsprinzip „Verwendung poröser Materialien“ (31) aufheben. Das Prinzip der „Abtrennung“ (2) kann das Verlagern des Kondensationsprozesses aus einem Zylinder in einen Kondensator sein: Bei der Dampfmaschine von James Watt entfiel so das bisher energiezehrende Aufheizen und Abkühlen eines Zylinders – die Kondensation findet in einem davon getrennten Gefäß statt. An dieses baute Watt eine Pumpe. Sie saugt Luft und warmes Wasser, das später wieder in den Kessel geleitet wird, aus dem Kondensator ab. Dort entsteht ein Unterdruck, der den Betrieb der Maschine wesentlich verbessert. Eine wärmedämmende Ummantelung des Zylinders kann dann weitere Energieverluste verhindern.

TRIZ-Gesamtsystematik.
Quelle: B. Gronauer und H. Nähler, TRIZ-Akademie.de
TRIZ-Gesamtsystematik.

Fazit

TRIZ ist eine Methoden-Sammlung. Sie nutzt eigene Innovationsansätze. Ziel ist, durch bewährte „Wegweiser“ auf kürzester Strecke zum optimalen Ergebnis zu gelangen. Die Vorgehensweise ist für eine Neu- oder Weiterentwicklung von Produkten, Prozessen oder Strategien, seien sie technischer oder unternehmerischer Art, nützlich. TRIZ kann dabei auch Verbesserungs- und Qualitätsmanagement-Systeme wie „Six Sigma (6σ)“, „Design for Six Sigma (DfSS)“ oder „8D-Report“ ergänzen.

TRIZ lässt sich mit anderen Methoden verbinden, etwa dem „Design Thinking“ zum Entwickeln von Geschäftsideen. „Design Thinking“ stammt aus dem Software-Umfeld. Im Vordergrund stehen dabei Kundenwünsche, technische Machbarkeit und wirtschaftliche Rentabilität. Sowohl hierzu als auch zu TRIZ dürften Planer:innen durch ihre Ausbildung und Praxis einen relativ leichten Zugang finden: Bauwerke sollen auch stets nutzerspezifisch ausgerichtet und technisch einwandfrei ausgerüstet sein.

Von Bettina Gehbauer-Schumacher
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