BIM

Realisierung eines modernen Wohnkomplexes mit Open-BIM

Dienstag, 03.08.2021

In den Niederlanden ist Building Information Modeling (BIM) längst Standard. Auch beim Wohnbauprojekt „Toren“ haben die Beteiligten gemeinschaftlich am 3D-Gebäudezwilling gearbeitet. Dabei setzten sie auf einen offenen Datenaustausch. Dieser ermöglichte es den für die SHKL- und die Elektroinstallationen zuständigen Unternehmen, ein hochwertiges Planungswerkzeug zu verwenden, das optimal auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten ist.

Abbildung: Der Wohnkomplex „Toren“ wurde bis ins letzte Detail mit Open-BIM geplant.
Quelle: Scholtens Groep
Der Wohnkomplex „Toren“ wurde bis ins letzte Detail mit Open-BIM geplant.

Nahe der Altstadt im nordholländischen Hoorn ist die Wohnanlage „Toren“ entstanden. Sie besteht aus einem mehrgeschossigen, U-förmigen Gebäudekomplex sowie einem 55 m hohen Turm mit über 20 Etagen. Die über 200 hochwertig ausgestatteten Wohnungen haben Größen von 70 bis 137 m2. Zusätzlich befinden sich zwei ca. 300 m2 große Penthouses im obersten Geschoss des Turms, die einen Ausblick auf die Altstadt und das Ijsselmeer bieten. Im Untergeschoss verfügt das Gebäude über eine Tiefgarage mit 178 Parkplätzen, einen geräumigen Abstellraum für Fahrräder sowie Kellerräume für die Bewohner. Der Eingang ist mit einem Empfangsbereich inklusive Rezeption ausgestattet.

Nicht nur in Sachen Wohnkomfort, sondern auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeit erfüllt der von GeO Architecten aus Schagen konzipierte Neubau hohe Standards. Bei der Temperierung des Gebäudes setzt die Scholtens Groep – die sowohl Bauherr des Projekts ist als auch dessen Umsetzung verantwortete – auf Wärmepumpentechnologie sowie einen auf dem Dach des Flachbaus installierten Rückkühler. Den überwiegenden Teil der Stromversorgung übernimmt eine großflächige Photovoltaikanlage. Damit einhergehend ist die gesamte Beleuchtung in LED ausgeführt.

Gebäudetechnik-Planung mit BIM

Bei der Planung und Ausführung des Projekts kam die moderne Arbeitsmethode des Building Information Modeling (BIM) zum Einsatz. RCB Tekeningen Management aus Veenendaal hat in dem Projekt die SHKL-Planung realisiert. „Im Auftrag des Installateurs Madern Techniek haben wir die gesamte SHKL-Installation für ‚Toren‘ in BIM ausgearbeitet – von der Lüftungsanlage über die Fußbodenheizung, die Fußbodenkühlung, die Wärmerückgewinnungsanlage, die Leitungswasseranlage, die Regenwasserabflüsse und die Kanalisation“, erklärt Ronald Bovekerk, Inhaber von RCB Tekeningen Management.

Den Zuschlag für die Realisierung der Elektroinstallationen erhielt die Beerepoot Installatietechniek B.V. Diese war bereits in der Planungsphase in das Projekt involviert, erklärt Jesper Kruis, Technischer Zeichner beim Unternehmen aus Zwaagdijk-Oost. „Wir waren unter anderem zuständig für die Beleuchtungslösungen in den verschiedenen Bereichen des Komplexes. Hinzu kamen die Zugangskontrolle, die Gegensprech- und Brandmeldeanlage sowie die Ladestationen für Elektroautos.“ Darüber hinaus übernahm das Unternehmen sämtliche Elektroinstallationen in den Wohnungen. Hier konnten die Bewohner ihre persönlichen Wünsche einbringen.

Leistungsstarkes Planungswerkzeug

RCB Tekeningen Management arbeitet bei all seinen 3D- und 2D-Projekten mit der Software „DDS-CAD“ von Data Design System. Auch dann, wenn einige der Auftraggeber in ihren Projekten favorisieren, dass eine andere Software durchgängig von allen beteiligten Stellen eingesetzt wird. „Nicht nur wegen der Kosten, sondern auch, weil ‚DDS-CAD‘ sehr zugänglich ist“, erläutert Bovekerk. „Die Software entspricht allen Anforderungen, die wir an unsere Entwürfe stellen, und alle unsere Zeichner und Ingenieure können gut und schnell damit arbeiten. Sie wird hauptsächlich für die Erstellung der Entwürfe eingesetzt“, erklärt er. „Wir verwenden immer noch ‚Vabi Elements‘ für die Berechnungen, einfach weil der Markt es verlangt. Kleinere Berechnungen und Überprüfungen, wie z. B. der Luftkanäle, des Leitungswassers und der Zentralheizungsrohre, führen wir jedoch in ‚DDS-CAD‘ durch.“

Abbildung: Entwurf der SHKL- und Elektroinstallationen mit hochwertiger Softwarelösung, die eigens für die Planung von Gebäudetechnik entwickelt wurde.
Quelle: Data Design System
Beim Entwurf der SHKL- und Elektroinstallationen kam eine hochwertige Softwarelösung zum Einsatz, die eigens für die Planung von Gebäudetechnik entwickelt wurde.
Abbildung: BIM bietet verschiedenste Möglichkeiten zur Visualisierung in 3D (hier: raum- und geschossübergreifende Darstellung von SHKL- und Elektroinstallationen).
Quelle: Data Design System
Die Arbeit mit BIM bietet verschiedenste Möglichkeiten zur Visualisierung in 3D (hier: raum- und geschossübergreifende Darstellung von SHKL- und Elektroinstallationen).
Abbildung: Darstellung der Gebäudelösung mit Fokus auf Details ausgewählter Bereiche.
Quelle: Data Design System
Bei der Darstellung der Gebäudelösung kann der Fokus auch auf Details ausgewählter Bereiche gelegt werden.

Auch das Elektrounternehmen nutzte die Software für die digitale Planung der Installationen in der Wohnanlage. „Früher haben wir mit einer Anwendung aus dem Closed-BIM-Bereich gearbeitet, bei der die Architektur im Vordergrund stand“, so Kruis. „Im Vorhinein dieses Projekts haben wir nach einer passenderen Alternative für unsere Zwecke gesucht. Fündig wurden wir bei ‚DDS-CAD‘. Die Software bietet viele Vorteile für unser Handwerk, da sie sich vor allem auf die Installationstechnik konzentriert.“

Arbeit in einem gemeinsamen Gebäudemodell

Alle Anlagen für „Toren“ wurden von den Fachplanern im Modell von GeO Architecten ausgearbeitet. „Mit ‚DDS-CAD SH‘ und ‚DDS-CAD KL‘ haben wir beide für unseren Bereich relevanten Produkte inklusive der verfügbaren Ergänzungsmodule eingesetzt“, sagt Bovekerk. „Da die Objektbibliothek der Software begrenzt ist, haben wir den Großteil der Inhalte für SHKL-Anlagen selbst angefordert, gesucht und hochgeladen. Das nimmt zwar etwas mehr Zeit in Anspruch, aber die Vorteile von ‚DDS-CAD‘ wiegen diesen zusätzlichen Aufwand bei weitem auf.“

Um die Elektroinstallation zu entwickeln und zu planen, arbeitete auch Beerepoot direkt im Modell des Architekten. „Für jede Wohneinheit haben wir eine Basisinstallation erstellt, die in Absprache mit den Käufern weiter ausgearbeitet wurde“, ergänzt Kruis. „Wir haben aus dem BIM-Modell auch unsere 2D-Zeichnungen für die Verwendung auf dem Bau sowie die zweidimensionalen PDF-Dateien für den Bauunternehmer und die Wohnungskäufer erstellt.“

Kruis erkennt darüber hinaus weitere klare Vorzüge der BIM-Methode: „Ein großer Vorteil dieser Arbeitsmethode ist, dass eventuell auftretende Missverständnisse oder Planungsfehler bereits in einem frühen Stadium erkannt und gelöst werden können. Dies bietet uns ein hohes Maß an Sicherheit und Flexibilität im Arbeitsprozess. Darüber hinaus konnte sich der Auftraggeber schon vor dem Beginn der eigentlichen Umsetzung das digitale Bauwerksmodell ansehen. So erhielt er einen detaillierten optischen Eindruck von dem Wohnkomplex und der Gebäudetechnik.“

Abbildung: Erklärung Open-BIM und IFC.
Quelle: Data Design System
OPEN-BIM UND IFC: Open-BIM ist ein universeller Ansatz für die durchgängige und gemeinschaftliche Planung, Umsetzung und den Betrieb von Gebäuden mithilfe offener Datenstandards. Die Methode entstand auf Initiative des Branchenverbands „buildingSMART“ und mehreren führenden Softwareanbietern wie Graphisoft, Tekla und Data Design System. Das Ziel der Zusammenarbeit ist, mit IFC (Industry Foundation Classes) ein offenes Austauschformat für die Gebäudemodellierung zu etablieren. Via IFC lassen sich Planungsdaten hersteller- und programmübergreifend zusammenführen, administrieren und in einem 3D-Modell darstellbar machen. Das Austauschformat ist nach DIN ISO 16739 normiert und damit zukunftssicher, sodass der Gebäudedatenbestand über den gesamten Lebenszyklus des Objekts angepasst und ergänzt werden kann.

Hohe Flexibilität durch offenen Datenaustausch

Der Datenaustausch erfolgte nach dem Open-BIM-Ansatz über das offene Dateiformat IFC (s. Infokasten): „Über IFC haben wir unsere Modelle mit dem Bauunternehmer Scholtens ausgetauscht, der auch die BIM-Regie übernommen, alle Modelle überprüft und die Kollisionsprüfungen durchgeführt hat“, sagt Bovekerk. So ermöglichte die Open-BIM-Methode, dass jeder Partner des Projekts die für seine Aufgaben optimale Softwarelösung verwenden konnte. Dies setzte vor Beginn der Zusammenarbeit genaue Absprachen sowie im Projektverlauf eine gute Kommunikation unter den Beteiligten voraus. Auf diese Weise konnte sichergestellt werden, dass jedes Gewerk die erforderlichen Daten erhielt und Änderungen nicht übersehen wurden.

Nach Abschluss der Elektroplanung erleichterte die Arbeit mit BIM die Übergabe der Daten an die Ausführenden auf der Baustelle. „Bereits während der Modellierung haben wir alle Unterputzdosen in die Wände gezeichnet. Der Auftragnehmer konnte anschließend die Wandpläne aus dem BIM-Modell generieren, um die Betonwände mit den notwendigen Rohrleitungen zu versehen“, so Kruis.

Wünsche der Bewohner antizipieren

Nach der Entwurfsphase war RCB Tekeningen Management bis zur Fertigstellung im Jahr 2020 am Projekt beteiligt, beispielsweise, um die Wünsche der Bewohner umzusetzen. „‚Toren‘ ist ein umfangreiches Projekt. In dem neuen Gebäude wurden über 200 Appartements eingerichtet. Einige davon sind an einen Investor verkauft, mehrfach identisch gebaut und eingerichtet worden. Aber die überwiegende Mehrheit unterlag den Wünschen der Bewohner, die sich oft noch zu einem späten Zeitpunkt änderten. Beim Bau kamen zum Beispiel noch Beleuchtungsspots hinzu oder die Aufteilung von Bädern und Küchen änderte sich, was wir mit unseren Abwasserkanälen, Lüftungskanälen und anderen Komponenten für SHKL-Anlagen antizipieren mussten. Das Building Information Modeling bietet in solchen Fällen eine Lösung, weil Anlagen sofort ersichtlich sind und Änderungen schnell bearbeitet und abgeglichen werden können“, sagt Bovekerk.

Die Software erleichterte es auch Beerepoot, den Wünschen der Wohnungskäufer im Nachhinein flexibel zu entsprechen. Das Unternehmen konnte mit dem Planungswerkzeug schnell und einfach Kombinationen aus verschiedenen Schaltern sowie Steckdosen für die Wohnungen des Komplexes erstellen. „Dabei werden alle Basisinformationen – zum Beispiel in welchem Stromkreis eine Steckdose platziert ist – sorgfältig geprüft. Ebenso lassen sich Stromkreiseinteilungen leicht anpassen, wenn Installationen verändert wurden“, fügt Kruis hinzu.

Individuelle Schulung und Vor-Ort-Unterstützung

Bei der Durchführung des Projekts erhielt Beerepoot vielfältige Unterstützung vom Hersteller der Software. „Bei der täglichen Arbeit hilft uns der technische Support. Die Mitarbeiter stehen uns zeitnah zur Verfügung und helfen beim Großteil der Fragen direkt weiter. In allen anderen Fällen wird hinter den Kulissen intensiv an einer Lösung gearbeitet, wobei wir immer auf dem Laufenden sind“, erläutert Kruis.

Um sich auf das BIM-Projekt optimal vorzubereiten, absolvierten die verantwortlichen Mitarbeiter des Elektrounternehmens zudem eine individuelle Schulung. Des Weiteren unterstützte einer der BIM-Experten des Herstellers beim Aufbau des 3D-Modells. „Mittlerweile arbeiten wir bereits an mehreren Projekten mit ‚DDS-CAD‘“, erklärt Kruis. Bovekerk ergänzt: „BIM ist eine Arbeitsmethode, aus der sich eine Menge Informationen extrahieren lassen. Ein genauer Entwurf und eine genaue Planung sind dafür unabdingbar.“

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