Nachhaltigkeit

Integrale Planung und das Internet der Dinge

Gebäude und Technik im Einklang

Freitag, 07.10.2016

Ein achtstöckiges Gebäude in Österreich, erbaut von der Rhomberg-Tochter Cree, definiert das Bauen neu: Mit der nachhaltigen Ressource Holz, modularer Systembauweise und einer integralen, digitalen Vorab-Planung mit dem Building Information Modeling-System. Zugleich zeigt dieser „LifeCycle Tower ONE“ in einem Pilotprojekt der Zumtobel Group und Bosch die enormen Potenziale, die in der Verbindung von vernetzten Lichtlösungen mit dem Internet der Dinge liegen.

Der „LifeCycle Tower ONE“ (LCT ONE), den die Cree GmbH, eine Tochter der Rhomberg-Gruppe, in Dornbirn auf der österreichischen Seite des Bodensees errichtet hat, ist ein weltweites Pionierprojekt und zugleich ein Musterbeispiel für integrale Planung. Es ging den Planern um Hubert Rhomberg hier nicht nur darum, zu zeigen, dass sich der Rohstoff Holz auch für Hochhaus-Bauten eignet: So ist der „LCT ONE“ mit seinen acht Stockwerken in ungekapselter, also nicht verkleideter, Holzbauweise das erste derartige Holzhybrid-Hochhaus der Welt.

Doch mehr noch: Darüber hinaus sollte auch das Dreieck aus Kosten, Komfort und Umweltschutz über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes hinweg optimiert werden – oder, wie es Hubert Rhomberg ausdrückt: „Im ‚LCT ONE‘ werden alle Dimensionen der Nachhaltigkeit gelebt: ökologisch, ökonomisch und sozial. So ist Holz nicht nur ein nachwachsender Rohstoff, der aus der Region stammt, sondern sorgt auch für ein unvergleichliches Wohn- und Raumklima und hat eine positive Wirkung auf die Gesundheit. Ebenso ergänzen sich bei der Haustechnik modernste Technologien zu einem smarten, energetisch hocheffektiven Versorgungskonzept.“

Der LifeCycle Tower ONE in der Außenansicht
Quelle: Norman A. Müller
Der „LifeCycle Tower ONE“ steht für den natürlichen Wandel in der urbanen Architektur.

Am Anfang stand die Überlegung, dass für den Bau von Gebäuden 40 Prozent der weltweiten Ressourcen verbraucht und 60 Prozent der Transporte verursacht werden – und dass Gebäude für 40 Prozent des globalen Energiebedarfs verantwortlich sind. Rhomberg war überzeugt, dass auch vollkommen anders gebaut werden könnte und stellte deshalb die gesamten Fertigungsprozesse von Gebäuden auf den Prüfstand. Dabei sollte auch die graue Energie minimiert werden, also diejenige, die nötig ist, um die Vorprodukte zu erzeugen und zu transportieren sowie am Ende des Lebenszyklus die Entsorgung zu leisten. Das Ergebnis dieser Analysen lässt sich in drei Kernaussagen zusammenfassen:

  1. Baue so viel wie möglich mit Holz.
  2. Produziere so viel wie möglich vor und kombiniere auf der Baustelle nur noch die Module.
  3. Plane integral – mit einem digitalen Zwilling am „Runden Tisch aller Beteiligten“.

Die Begründungen dafür sind einfach. Holz ist nicht nur aus Umweltgesichtspunkten ideal – wobei die Firma Cree sogar dafür sorgt, dass für jedes verbaute Holz wieder neue Bäume gepflanzt werden –, sondern es hat auch nur einen Bruchteil des Gewichts von Stahlbeton, was die Belastung des baulichen Untergrundes drastisch verringert und Lkw-Transporte auch von großen Bauteilen ermöglicht. „Bei tragenden Teilen und aus Brandschutzgründen setzen wir dabei auf Hybrid-Module mit wenigen Zentimeter dicken Betonplatten und darunter liegenden Holzrippen“, erklärt Harald Professner, Leiter der weltweiten Geschäftsentwicklung bei Cree.

Systemtechnik und Planung mit digitalem Zwilling

Einer der entscheidenden Trümpfe ist die Vorfertigung: „Auf unseren Baustellen wird nicht mehr betoniert“, sagt Professner. Stattdessen werden große Modulteile – für die Decken ebenso wie für die Fassaden – in den Werkhallen der Zulieferer präzise vorgefertigt und auf der Baustelle nur noch „wie Legosteine zusammengefügt“. Der große Vorteil: Rohbau, Fassade und der Einbau der Gebäudetechnik können doppelt so schnell realisiert werden wie bei herkömmlichen Gebäuden. So wurden die acht Stockwerke des „LCT ONE“ in nur acht Tagen hochgezogen, bis das Gebäude dicht war und die Innenarbeiten folgen konnten.

Ebenso wichtig wie die modulare Systemtechnik ist die ganzheitliche Planung. „Wir arbeiten mit unseren Partnern von Anfang an am kybernetischen Tisch, mit einem digitalen Zwilling des Gebäudes“, erklärt Professner. Dank des Building Information Modeling (BIM)-Systems wird alles digital geplant und simuliert. Daraus ergeben sich dann auch die präzisen Maße und Anforderungen an die Module sowie die Aussagen, wer wann, was an die Baustelle zu liefern hat. Außerdem fordert Cree von den Partnern auch Rückbau-Anleitungen, also genaue Aussagen über die Inhaltsstoffe, den ökologischen Fußabdruck und darüber, wie sich ihre Bauteile wieder ausbauen und entsorgen lassen.

Im „LCT ONE“ wurde zudem darauf geachtet, dass es keine tragenden Trennwände gibt, was dem Konzept eine sehr hohe Flexibilität verleiht. So wird der „LCT ONE“ zwar hauptsächlich als Büro- und Ausstellungsgebäude genutzt, aber das Gebäudeprinzip funktioniert auch für Wohngebäude, Hotels oder Gewerbeflächen. In Sachen Nachhaltigkeit erzielt das Gebäude die höchsten Zertifikate-Stufen: Platin-Auszeichnungen von LEED, DGNB und ÖGNI. „Gegenüber einem Stahlbetonbau verursacht unser Gebäude über die Lebensdauer 90 Prozent weniger CO2, ist 60 Prozent leichter und wird doppelt so schnell und fast emissionsfrei errichtet – wobei wir auch den Preis, alles in allem, in etwa gleicher Höhe halten können“, betont Professner. Kein Wunder, dass Cree inzwischen Anfragen aus aller Welt für derartige Bauten erhält.

LifeCycle Tower One in der Innenansicht
Quelle: Zumtobel
Holz ist nicht nur ein nachwachsender Rohstoff, der aus der Region stammt, sondern sorgt im Gebäude auch für ein gutes Raumklima.

Nutzerin bedient einen Funktaster, um das Licht zu steuern
Quelle: Zumtobel
Der „LCT ONE“ setzt auf komfortables Handling: Mit Hilfe batterieloser Funktaster können die Nutzer jederzeit das Licht manuell schalten oder dimmen. Zudem können sie in zwei Stockwerken auch noch fünfzehn vordefinierte Lichtstimmungen mit unterschiedlichen Farbtemperaturen abrufen.

Vielfältige Passivhaus-Technologien sind im „LCT ONE“ selbstverständlich, so etwa die Dreifachverglasung, in die Decken integrierte Heiz-Kühl-Paneele, eine Lüftungsanlage mit hochwirksamer Wärmerückgewinnung (WRG) und Steuerung über CO2-Sensoren sowie das automatische Energieverbrauchs-Monitoring. Einen wesentlichen Anteil am Nachhaltigkeitskonzept hat auch das einzigartige Lichtmanagementsystem von Zumtobel. Bereits bei der Entstehung des Gebäudes waren die Experten des österreichischen Lichtkonzerns mit am kybernetischen Tisch von Cree. Aktuell geht die Zumtobel Group noch einen Schritt weiter und baut mit Hilfe von Partnern wie Bosch den „LCT ONE“ zu einem Vorzeigeprojekt für das Internet der Dinge und vernetzte Lichtlösungen aus.

Lichtmanagementsystem spart bis zu 75 Prozent Energie

Schon bisher erreichte die Zumtobel „LITENET“-Installation im „LCT ONE“ mit ihrem ganzheitlichen Lichtkonzept extrem niedrige Energieverbrauchswerte. Vordefinierte Einschaltzeiten und 112 Präsenzmelder schalten das Licht nur dann ein, wenn es auch benötigt wird. Zudem werden Kunst- und Tageslicht mit Hilfe eines Tageslichtmesskopfes auf dem Dach des Gebäudes kombiniert – wobei die Jalousien automatisch so gesteuert werden, dass auch der Blendschutz optimal ist und der Kühlbedarf gering. „Im Vergleich zu Bürogebäuden ohne eine derartige ganzheitliche Steuerung sparen wir dadurch insgesamt bis zu 75 Prozent der Beleuchtungsenergie ein“, erläutert Stéphane Vasse, der Leiter der Geschäftsentwicklung für das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) bei der Zumtobel Group.

Dabei hat jede Leuchte eine eindeutige Adresse und ist vom System einzeln ansteuerbar – und auch die LED-Sicherheitsbeleuchtung ist ins Lichtmanagementsystem integriert. Systemprüfungen laufen automatisch ab, wodurch der Wartungsaufwand gering gehalten wird. Doch der „LCT ONE“ setzt natürlich nicht nur auf Automatisierung. Mit Hilfe batterieloser Funktaster können die Nutzer jederzeit das Licht manuell schalten oder dimmen. Zudem können sie in zwei Stockwerken auch noch fünfzehn vordefinierte Lichtstimmungen mit unterschiedlichen Farbtemperaturen abrufen, was den Komfort weiter erhöht.

Der Tageslichtmesskopf auf dem Dach des Gebäudes
Quelle: Zumtobel
Die Zumtobel „LITENET“-Installation sorgt mit ihrem ganzheitlichen Lichtkonzept für extrem niedrige Energieverbrauchswerte. Vordefinierte Einschaltzeiten und 112 Präsenzmelder schalten das Licht nur dann ein, wenn es auch benötigt wird. Zudem werden Kunst- und Tageslicht über den Tageslichtmesskopf auf dem Dach des Gebäudes mitgesteuert.

Zurzeit wird dieses System weiter ausgebaut, um durch eine bessere Nutzung von Daten die Lichtinfrastruktur noch energieeffizienter zu machen, die Wartungskosten weiter zu senken und die Kundenzufriedenheit zu steigern. Gleichzeitig sollen die Informationen aber auch dazu dienen, das Raummanagement zu verbessern. Hierfür werden zusätzliche Sensoren – beispielsweise von Tridonic, einer weiteren Tochter der Zumtobel Group – integriert, unter anderem als Präsenzsensoren direkt in die Leuchten. Das Lichtsystem und die Sensoren liefern ihre Daten an eine Cloud-basierte „IoT-Suite“ von Bosch Software Innovations (SI), wo sie gesammelt, weiterverarbeitet und analysiert werden.

Die Ergebnisse werden dann in anschaulichen, leicht verständlichen Grafiken auf einer Art Armaturenbrett, einem Dashboard, dargestellt, das die Zumtobel Group zusammen mit Bosch Software Innovations entwickelt hat.

Welche Vorteile hat dies für Mieter, Betreiber und Gebäudemanager? Beim Lichtsystem selbst lassen sich die Daten über den Energieverbrauch einer jeden Leuchte, eines Büros oder eines ganzen Stockwerks abrufen – und zwar zu beliebig vorgegebenen Zeiten. Zugleich erfährt man, wie oft die Nutzer manuell in die Lichtsteuerung eingegriffen haben und wie hoch – auf Grund der Historie – die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Leuchte bald ausfallen wird.

Solche Informationen helfen dem Energiemanagement ebenso wie der Verbesserung der Kundenzufriedenheit und der Wartungsplanung: So können automatische Lichtstimmungen angepasst und optimiert werden, wenn man feststellt, dass sie von den Kunden oft verändert werden, und bei einem Wartungsbesuch kann man nicht nur die Leuchten austauschen, die bereits ausgefallen sind, sondern auch die, die wahrscheinlich bald ausfallen werden. Das spart Zeit und Geld.

Optimiertes Raummanagement senkt Kosten

„Doch die Vorteile dieses Licht-basierten Internets der Dinge gehen noch weit über den Nutzen für das Lichtmanagement hi­naus“, sagt Stéphane Vasse. Auch hier zeigt sich wieder, wie integral in modernen Gebäuden gedacht und geplant werden kann. Beispielsweise geben die Daten der Präsenzsensoren auch Auskunft darüber, wie verschiedenste Zonen im „LCT ONE“ überhaupt genutzt werden: Stellen Mieter oder Gebäudemanager fest, dass etwa in manchen Räumen im Durchschnitt kaum jemand anwesend ist, können sie diese umwidmen – etwa in Besprechungszonen oder in flexible Büros, wo sich mehrere Nutzer einen Schreibtisch teilen.

Das Foyer des LifeCycle Tower One
Quelle: Norman A. Müller
Im „LCT ONE“ wurde darauf geachtet, dass es keine tragenden Trennwände gibt, was dem Konzept eine hohe Flexibilität verleiht.

Ein Büro im Life Cycle Tower ONE
Quelle: Zumtobel
Ein Cree-Büro im 7. Obergeschoss des „Life Cycle Tower ONE“.

„Dadurch wird das Raummanagement optimiert“, betont Stéphane Vasse. „Bei gleichen Kosten lässt sich so die Produktivität erhöhen oder man kann Räumlichkeiten einsparen und dadurch etwa Betriebskosten senken.“ Zugleich lassen sich mit diesen Informationen auch Energiesparmaßnahmen besser bewerten, und es können sogar die Reinigungskräfte effizienter eingesetzt werden: Räume, die nicht genutzt werden, müssen auch nicht täglich gereinigt werden.

Um zu prüfen, welchen Zusatznutzen ein noch dichteres Datennetzwerk bieten kann, haben die Zumtobel Group und Bosch SI im zweiten Stockwerk des „LCT ONE“ inzwischen ­zusätzlich 22 weitere Präsenzsensoren angebracht, die eine ­sogenannte „Heat Map“ liefern: Das heißt, jeder Sensor übermittelt Anwesenheitsdaten nur für sein Beobachtungsfeld – womit man sozusagen ein in 22 Pixel aufgelöstes Anwesenheitsbild des Raumes bekommt.

Diese Daten erlauben keine Rückschlüsse über die Identität der sich bewegenden Personen, aber sie zeigen, welche Teile des Raumes besonders häufig und welche weniger frequentiert werden. Für die Steuerung von Licht, Klima oder Jalousien können dies ebenso nützliche Informationen sein wie für das gesamte Raummanagement.

Der „LifeCycle Tower ONE“ ist damit nicht nur ein Vorzeigeprojekt für nachhaltiges Bauen, modulare Fertigungskonzepte und integrale Planung, sondern belegt zugleich, welches ­Potenzial in vernetzten Lichtlösungen liegt. „Das Licht-basierte Internet der Dinge eröffnet ganz neue Dienstleistungen und Geschäftsmöglichkeiten, die weit über die Lichtindustrie ­hinaus reichen“, urteilt Stéphane Vasse.

Wie groß die ent­sprechenden Märkte sein können, zeigt bereits ein Blick auf die Prognose der Analysten des Unter­nehmens Memoori, das sich auf intelligente Gebäude spezialisiert hat: Sie erwarten, dass bis 2020 die Mehrheit der „IoT“-Installationen in Gebäuden auf Basis von Lichtlösungen erfolgen wird – genauso, wie dies im Pionierprojekt des „LCT ONE“ nun bereits realisiert wird.

Von Ulrich Eberl
Freier Journalist
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Mittwoch, 24.04.2024

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