BIM

Die zwei Seiten der "BIM-Planungsmedaille"

Dienstag, 01.08.2017

Die Integrale Planung nach BIM setzt umfassende Datenstämme voraus, die über die verschiedenen Be- und Verarbeitungsstufen hinweg im Verlaufe des Bauprozesses von allen Beteiligten (ein)gelesen, weiterverarbeitet und in der bearbeiteten Form um gegebenenfalls weitere Informationen angereichert weitergegeben werden können. Soweit die Theorie. In der Praxis fehlt es aber bereits den originären Daten an (der theoretisch denkbaren) Tiefe und die Daten können nicht wie notwendig verlustfrei an die unterschiedlichen Softwarelösungen in der Wertschöpfungskette weitergegeben beziehungsweise erweitert werden.

Ein Mann hält eine Absperrarmatur in der Hand.
Quelle: Kemper
Wie komplex ein Produkt tatsächlich ist, wird manchmal erst bei der Aufbereitung der BIM-Daten wirklich deutlich.

Als Hersteller sowohl von Installationskomponenten unterschiedlicher Komplexität wie Anbieter entsprechend BIM-fähiger Softwarelösungen über das Tochterunternehmen Dendrit kennt Kemper beide Seiten der "BIM-Planungsmedaille":

Die des Lieferanten von Produktdaten genauso wie die des Softwareanbieters, der mit diesen Daten weiterarbeiten und sie auch für möglicherweise ganz andere Programmanbieter les- und bearbeitbar aufbereiten muss. Im folgenden Beitrag schildert der Hersteller beide Sichtweisen.

Warum ist es aus Sicht des Herstellers so "schwierig", für eine einfache Installationskomponente, wie etwa einem Freistromventil, BIM-Daten bereitzustellen?

Generell wäre die Bereitstellung von BIM-fähigen Daten gar nicht so schwierig – unter der Voraussetzung, dass der Hersteller alle BIM-relevanten Daten seines Produkts kennt und diese zentral zur weiteren Verarbeitung aufbereitet hat. Hierzu schaffen PIM-Systeme (Produkt-Information-Management-Systeme) die entsprechende Voraussetzung.

Im Falle eines einfachen Freistromventils sind die relevanten geometrischen, technischen sowie kaufmännischen Produktdaten noch relativ überschaubar. Allerdings gibt es noch immer keine klare Definition, wie zum Beispiel ein digitales, mit Informationen angereichertes, BIM-fähiges Freistromabsperrventil auszusehen hat. Zwar werden in Deutschland in vielen verschiedenen Arbeitskreisen und Gremien ISO- und EN-Normen zum Thema BIM gespiegelt. Vollständig definierte Dateninhalte innerhalb der Austauschformate (beispielsweise Revit, IFC) existieren jedoch noch nicht.

Ein Freistromventil.
Quelle: Kemper
Das zigtausendfach eingesetzte Freistromventil ist technisch und geometrisch für BIM recht einfach zu beschreiben. Die Frage bleibt aber: Wie weit wird noch hinterfüttert, beispielsweise mit kaufmännischen Kenndaten?

In Ermangelung der nicht klar definierten Dateninhalte bedienen sich einige Hersteller in Deutschland der VDI 3805 zur Erstellung BIM-fähiger Produktdaten. Sie ist eigentlich ein Datenmodell zum Austausch von Produkt-/Berechnungsdaten für die in Deutschland gängige TGA-Software.

Diese Daten können weitergehend (zwar sehr aufwendig) in Revit-/IFC-Formate umgewandelt werden, um so auch internationale BIM-Projekte abwickeln zu können. Es versteht sich von selbst, dass diese neuen Datenformate nur so gut sein können, wie die zur Ver­fügung stehende VDI 3805-Datenbasis.

Probleme ergeben sich häufig, wenn die technischen und kaufmännischen Hersteller-Produktdaten inklusive Zubehördefinition nicht aus einem gut gepflegten PIM-System stammen. Der oben beschriebene Prozess der Datenerstellung und Formatumwandlung durch externe Dienstleister ist für die Hersteller zeit- und kostenintensiv. Kemper profitiert hier von der Zusammenarbeit mit dem Tochterunternehmen Dendrit, das diese Prozesse mittels Daten aus dem Kemper-PIM-System hausintern abwickeln kann.

Nach all den beschriebenen Aufwendungen zur Bereitstellung von BIM-fähigen Produktdaten baut sich eine weitere Hürde auf: Die zum Einsatz kommende Berechnungssoftware aller am BIM-Prozess Beteiligten muss die gelieferten Daten nicht nur einlesen, sondern auch korrekt berechnen können.

3D-Grafik eines Freistromventils.
Quelle: Kemper
Gut gepflegte PIM-Systeme sind die zwingende Basis für die erfolgreiche BIM-Adaption eines jeden Produktes.

Wie aufwändig stellt sich der vorstehend beschriebene Sachverhalt bei komplexeren Installationseinheiten dar?

Natürlich kann sich die Tiefe der Daten verschiedener Bauprodukte enorm unterscheiden. Um sich ein Bild der maximal möglichen Datentiefe komplexer Installationssysteme machen zu können, reicht bereits der Vergleich eines Absperrventils mit einem ebenfalls relativ einfach aufgebauten thermischen Zirkulationsregulierventil.

Einige Produkt-Informationen beziehungsweise hinterlegte Daten unterscheiden sich bei beiden genannten Produkten nur inhaltlich. Sei es die Bestellnummer, der Werkstoff, die Nennweiten, die Zubehördefinitionen etc. Ein gravierenderer Unterschied entsteht aber durch die Art der beiden Armaturen und somit auch der berechnungsrelevanten Informationen/Parameter.

Bei einem Absperrventil handelt es sich um ein rein statisches Bauteil. Parameter wie die zulässige Betriebstemperatur, Nennweite, Druckstufe und der kvs-Wert (max. Durchflusswert) stellen bereits fast alle relevanten Informationen für eine Berechnung dar.

Bei einem dynamisch arbeitenden Zirkulationsregulierventil sind noch viele weitere Parameter/Informationen zu hinterlegen. Hierzu gehören zum Beispiel mehrere kv-Werte (Durchflusswerte), der Temperatur-Regelbereich oder auch hinterlegte Schnittpunkte der einzelnen Kennlinien.

Generell gilt jedoch auch hier: Die Qualität der Verarbeitung und Berechnung dieser BIM-fähigen Produktdaten mittels einer beliebigen Berechnungssoftware, egal ob für ein komplexes Trinkwassersystem im Ganzen oder der Druckverlustberechnung einer einzelnen Armatur, bestimmt die eingesetzte Software selbst.

Zuerst einmal muss festgestellt werden, dass die Berechnung einfacher Bauprodukte auch mit Minimaldaten möglich ist. Bereits hier fällt jedoch der kaufmännische Aspekt stark ins Gewicht. Bleiben wir bei dem schon mehrfach erwähnten Absperrventil: Hier würden Minimaldaten unter Umständen die in der Planung vorgesehenen Übergangsverschraubungen und weitere Zubehöre wie Dämmschalen und Entleerungen im Massenauszug unberücksichtigt lassen.

Multipliziert mit der Anzahl der geplanten Ventile, kann sich bereits bei diesem einen Produkt eine erhebliche kalkulatorische Abweichung ergeben. Noch problematischer wird es, wenn bei komplexeren Bauprodukten die hydraulische Berechnung auf Basis nicht ausreichender Minimaldaten vorgenommen wird. Falsche Berechnungsergebnisse können so zu nicht funktionierenden Gesamtsystemen führen.

Ein Freistromventil und seine Pressanschlüsse.
Quelle: Kemper
Eine Frage der Detailtiefe: Bilden die BIM-Daten nur das Kernprodukt ab oder auch die zugehörige Peripherie, wie zum Beispiel hier eventuell zwingend notwendige Pressanschlüsse?

Spannend ist aber auch die Sicht des Software-Anbieters. Wie stellt sich die geregelte Situation bei den für eine Planung nach BIM notwendigen "Stammdaten" dar; sind andere Länder in Europa schon weiter?

Aktuell ist ein Boom an Portalen für BIM-Produktdaten in Europa zu erkennen. Hersteller aus allen Branchen legen ihre Produktdaten auf Webportale, um diese den Endkunden zur Ver­fügung zu stellen.

Diese Daten werden jedoch nach unterschiedlichsten Anforderungen erstellt. So findet man neben stark differierenden grafischen Detailtiefen auch inhomogene Datentiefen beziehungsweise Datenstandards. In den Niederlanden gibt es neben ETIM den etablierten Standard EMCS für den Bereich der TGA, in UK werden CoBie-Daten gefordert. Die große Bandbreite der aktuell zur Verfügung stehenden Produktdaten ist die Herausforderung im weiteren Umgang.

In Deutschland hat sich der VDI 3805-Standard als Produktdatenstandard in den Gewerken Heizung und Sanitär stark etabliert. Er definiert und standardisiert weit mehr, als in den meisten "BIM"-Modellen der Portale zu finden ist. Die Produkte aus dem Hause Dendrit konsumieren daher immer die Produktdaten im VDI 3805-Format, um auch zukünftige Datenaustauschmodelle gewährleisten beziehungsweise Datenextrakte nach den oben genannten Datenstandards erfüllen zu können.

Woran kann der Anwender beziehungsweise Käufer der Software erkennen, in welcher Tiefe die von ihm präferierte Software die Daten liest, verarbeitet und verändert?

Leider gibt es hier kein Gütezeichen oder eine klare Darstellung. Der Anwender muss die Software auf seine Bedürfnisse beziehungsweise auf die seiner Kunden und Planungsbeteiligten individuell überprüfen. Die meisten der BIM-Softwareplattformen bieten standardisierte Schnittstellen wie das IFC-Format an, um die Planungsdaten weitestgehend verlustfrei in andere Programme und Speziallösungen zu überführen.

Wie belastbar sind die Konstruktionen, die auf der Basis der unterschiedlich detaillierten Komponentendaten entstehen? Inwieweit kann sich der Planer auf die Rechenergebnisse verlassen oder muss sie händisch verifizieren?

Die Belastbarkeit hängt von der Art und Weise der Berechnung ab. Hat das Berechnungsprogramm neben den Rechenalgorithmen auch eigene Stammdaten und wird beispielsweise per Hersteller und Artikelnummer darauf zugegriffen, reichen schon wenige Daten in den Modellen, um eine belastbare Berechnung sicherzustellen. Dieses Modell wird seit Jahren in "Dendrit STUDIO" erfolgreich verfolgt, so dass weitere Produktinterpretationen erst nach einer Erfassung von Symbolen geschehen und nicht aus dem Modell ausgelesen wird.

Würden all die für die Berechnung notwendigen Daten übertragen werden, würde dies die Modelle unnötig aufblähen. Auch der Nutzen dieser Daten direkt im Modell ist stark in Frage zu stellen, da sie "on demand" jederzeit von Webportalen nachgefragt werden können.

Tabelle mit Typeigenschaften einer Kemper-Absperrarmatur.
Quelle: Kemper
Die Grundlage jeder erfolgreichen Auslegung im BIM ist eine Datenbasis, die immer bedarfsgerecht in der jeweils notwendigen Tiefe übertragen wird.

Wann und wie wird ein Status erreicht, dass auch Betriebszustände, Wartungsnotwendigkeiten oder etwa Fernparametrierungen mit automatischer Kompatibilitätsprüfung über die Konstruktion hinweg an den Betreiber durchgereicht werden können?

Auch hier ist die Frage zu stellen, welche weiteren Daten gefordert werden und ob diese vollständig im Modell transportiert werden müssen. Facility-Management-Lösungen zeigen auch hier Möglichkeiten auf, die Wartungs- und Instandhaltungsdaten in der Facility-Management-Datenbank als Stammdaten zu führen und ggf. anzupassen. Somit ist aus dem Modell in Bezug der integralen Planung nur der Schlüssel auf die Stammdaten notwendig.

Wie kann der Softwareanbieter absichern, dass Quelldaten des Herstellers zwar angereichert, aber nicht verändert werden können?

Hier ist leider kein hundertprozentiger Schutz gegeben. Für eine korrekte Berechnung werden in der Praxis tatsächliche Stammdaten eines Herstellers genutzt. Unter bestimmten Voraussetzungen werden jedoch "neutrale" Bauteile in der Ausschreibung verlangt, was dann zu einer anschließenden Manipulation der Stammdatenattribute "Hersteller" und "Artikelnummer" führt.

Hier zeigt die integrale Betrachtung der Planung ein großes Fehlerpotenzial auf: In einem 3D-Modell müssen über die Attribute Hersteller und Artikelnummer hinaus weitere Attribute für das Zubehör, wie Anschlussverschraubungen, Dämmschalen usw. angepasst werden.

Autoren dieses Artikels

Oliver Jaworski
Produktmanager Kemper
Manuel Lautz
Geschäftsbereichsleiter Dendrit
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Mittwoch, 24.04.2024

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