Daten als Wärmequelle der Zukunft

Was sind die planerischen Potentiale für Projekte mit Daten- und Rechenzentren?

Aktuell dreht sich die Welt gleichzeitig ungleichzeitig: Ängstlich blicken wir geradezu vormodern (und dicht behaart) aus unseren "Einfamilien-Schutzhöhlen" – und rätseln, wo dieser urgewaltige Angriff auf uns herkommt und wohl hinführt.

Doch unsere "Schockstarre" versetzt unsere Daten in den digitalen Wandertag: Gigabit für Gigabit versenden wir unsere öffentlichen, privaten und geheimen Daten. Daten sind Währung, Geld, besser – Gold! Wie beim Edelmetall ist die Logistik der Daten teuer und riskant. Die dafür notwendige Infrastruktur ist komplex. Aber das Datensammeln ist bekanntlich unwahrscheinlich lukrativ – Corona ist dafür nur das Brennglas: Die großen "Global Player", wie PayPal (+16,8 Prozent), Amazon (+23 Prozent) oder Nintendo (+26 Prozent), aber auch "hidden champions", wie die deutsche Firma TeamViewer (+86 Prozent), stürmen die Börsengipfel. Die "Glücksritter vom Yukon" schürfen jetzt Bitcoins. Aber was hat das alles mit integraler Planung zu tun? Nun, das besagte "Datengold" will sicher umhaust, gut belüftet und wohltemperiert sein. Eine Aufgabe also für alle (zukunftsorientierten) TGA-Planer und Fachingenieure!

Im Folgenden werden die planerischen Potentiale für Projekte mit Daten- und Rechenzentren vorgestellt. Ein Schwerpunkt ist die Wärmerückgewinnung (WRG), mit der multivalente Wärmepumpen die Energie aus Rechenzentren für andere Abnehmer bereitstellen können. Ein weiterer Fokus liegt auf den Methoden zur freien Kühlung, da sie die Anlageneffizienz deutlich steigern und die Betriebskosten signifikant senken kann.

Eine wichtige Unterscheidung gleich zu Beginn: Der Beitrag behandelt nicht die Planung eines Rechenzentrums. Dafür müssten noch wichtige Punkte, wie Sicherheitskonzepte, Redundanz, Ausfallsicherheit oder Brand- und Lärmschutz, diskutiert werden. Vielmehr geht es um die häufiger werdenden Bauprojekte, in denen unter anderem ein Rechenzentrum versorgungstechnisch einzubinden ist. Parallel dazu nehmen zwei Arten von Rechenzentren Fahrt auf: Zentrale, riesige Serverfarmen in kalten, trockenen, lose besiedelten Regionen einerseits und dezentrale, kleinere Rechenzentren in Ballungsräumen. Um die letztgenannte Gattung soll es in diesem Beitrag gehen. Sie eignen sich zur Einbindung in be- oder entstehende versorgungstechnische Konzepte für Räume, Gebäude oder Quartiere.

Die Bedingungen vor Ort und das Budget setzen den Rahmen für jede Planung. Soll ein Rechenzentrum mitgeplant werden, sind neben dem Gebäudenutzungskonzept auch die Anforderungen an das Rechenzentrum selbst zu beachten. Das Gebäudenutzungskonzept liefert die entscheidenden Bedingungen, wie, wann und in welchem Umfang die Wärmeleistung aus dem Datenverkehr für andere Gebäudeteile und/oder ggf. Prozesse genutzt werden kann.

Grundsätzlich stellen die verschiedenen Teile eines Gebäudes unterschiedliche Anforderungen an eine Klimatisierungslösung: Büroräume benötigen Kühlung bzw. Heizung, Datenzentren nur Kühlung. Die unterschiedlichen Nutzungsprofile hängen mitunter von den saisonal variierenden Außenbedingungen ab.

Es gibt zudem nicht nur externe, tages- und jahreszeitabhängige Lasten. Je nach Tageszeit variieren auch die internen Anforderungen der Nutzer: Morgens beispielsweise führt der Weg der meisten Büroangestellten zu ihrem E-Mail-Postfach. Der E-Mail-Server hat also erhöhten Kühlbedarf, gleichzeitig muss das Speichersystem die abgeführte Abwärme des E-Mail-Servers aufnehmen können. Auch die Abnehmer wollen deshalb berücksichtigt werden, zum Beispiel: niedrige Vorlauftemperatur für Flächenheizungen, mindestens 60 °C zur Brauchwarmwasserbereitstellung.

Im Idealfall überwacht und steuert ein zentrales Regelungssystem die Wärme- bzw. Kälteverteilung im Gebäude. Gängige Schnittstellen zur (vorhandenen) Gebäudeleittechnik, wie "Modbus TCP", "BACnet" oder "Profibus DP", bedient im Normalfall auch jede Rechenzentrum-Klimatisierungslösung. Die Regelung kennt die tageszeit-, außentemperatur- und nutzerabhängigen Bedürfnisse und speist bedarfsgerecht Wärme bzw. Kälte in die verschiedenen Heiz- und Kühlkreise sowie in den Speicher. Zudem muss die Regelung eine Diagnose des Ist-Zustandes erstellen können, um Unregelmäßigkeiten und Störungen möglichst schnell zu erkennen und zu melden.

Bereits in die Wärmepumpe integrierte Komponenten, wie Hydraulikgruppen und Pumpen, gewährleisten eine ab Werk erprobte und abgestimmte Regelung. Programmierbare Ladeschaltungen ermöglichen eine effiziente Befüllung der Warm- und Kaltwasserspeicher.

Der Dreisprung aus Abgabe, Rückgewinnung und Bereitstellung

Ein gewichtiger Anteil des Energiebedarfs eines Rechenzentrums betrifft seine Klimatisierung: CPUs, GPUs, Switches und Festplatten stellen unter Last einerseits sehr viel (Ab-)Wärme bereit, arbeiten andererseits jedoch am effizientesten in gleichbleibend trockener und kühler Atmosphäre. Da Energie weder vernichtet noch erzeugt, sondern nur verschoben werden kann, bugsieren die meisten Datenzentren die thermische Energie der Komponenten lediglich aus dem Gebäude hinaus.

Doch warum wird diese Abwärme in die Atmosphäre "verbannt" und damit verschwendet, wenn man sie doch nutzbringend und wirtschaftlich beispielsweise für Heizzwecke – im Gebäude selbst sowie in Wärmenetzen – einsetzen kann? Zum Vergleich: Ein mittelgroßes Datenzentrum stellt etwa 3.700 MWh Wärme pro Jahr zur Verfügung. Dies entspricht dem jährlichen Wärmebedarf von etwa 165 Einfamilienhäusern. Das System muss die Wärme für eine weitere Nutzung jedoch zunächst zurückgewinnen. Dafür wird ein multivalentes System mit Wärmepumpe eingesetzt: Sie kann gleichzeitig kühlen, heizen (auch hohe Wassertemperaturen von bis 60 °C zur hygienischen Brauchwarmwasserbereitung), Abwärme auskoppeln und weitere Energiequellen (z.B. Geothermie, Grund-, Fluss- oder Meerwasser) nutzen.

Für die Einbindung der Wärmequelle "Rechenzentrum" in ein versorgungstechnisches Konzept sind folgende Kenngrößen zentral:

Große wie kleine Rechenzentren werden zunehmend aus einer langfristigen Perspektive betrachtet: Die Betriebskosten rücken damit in den Vordergrund. Der hauptsächliche Grund hierfür sind die steigenden Energiepreise. Planer, welche Investoren hier technische Lösungen mit optimierten Kosten über den gesamten Lebenszyklus bieten können, sind dabei natürlich im Vorteil.

Großes Einsparpotential für jedes Rechenzentrum bietet die freie Kühlung: Dabei kühlt die Außenluft das Datenzentrum direkt oder indirekt. Der Vorteil: Die Wärmepumpe bzw. der Kaltwassersatz muss nur dann Kälte ins Datenzentrum liefern, wenn die Außentemperatur über einen bestimmten Wert (z. B. 20 °C) steigt – unter diesem definierten Außentemperaturlevel entfallen die Stromkosten zur Kälteerzeugung, nur die Ventilatoren und Pumpen werden genutzt, um Luft bzw. das Wasser-Glykol-Gemisch zu bewegen. Grundsätzlich gilt die Einschränkung: Die Anlage zur mechanischen Kühlung muss die freie Kühlung unterstützen können, sobald die Temperaturdifferenz zwischen der Außenluft- und der sogenannten Warmgangtemperatur zu gering ist. Normalerweise tritt dies bei einer Außenlufttemperatur von über 20 °C ein.

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Prinzip: direkte freie Kühlung

Bei ausreichend geringer Außentemperatur fördern Ventilatoren oder eine Lüftungsanlage Außenluft in den Serverraum. Der Wirkungsgrad der direkten freien Kühlung liegt bei 90 Prozent und mehr, das Potential zur Senkung der Energie- und Betriebskosten ist dementsprechend hoch.

Ein Allheilmittel ist die direkte freie Kühlung jedoch nicht. Die Qualität der Außenluft begrenzt nämlich ihre Einsatzmöglichkeiten: Ist die Luft zu kalt, zu feucht, zu trocken oder zu sehr mit Feinstaub oder anderen Stoffen (z.B. Salz) belastet, muss die Luft vor Eintritt in das Datenzentrum behandelt werden. Solche Investitions- und Betriebskosten für Filteranlagen, Ent- oder Befeuchter sowie die Wartung der zusätzlichen Komponenten verlängern die Amortisationszeit der Anlage. Nur wer die Außenluftqualität im Vorfeld prüft und die Aufbereitungskosten in eine Amortisationsrechnung einbezieht, wird entscheiden können, ob sich die direkte freie Kühlung lohnt oder nicht.

Prinzip: indirekte freie Kühlung

Bei der indirekten freien Kühlung wird die Außenluft nicht direkt in den Serverraum geleitet, sondern sie überträgt einen Teil ihrer Kälte über einen Wärmeübertrager an die Luft im Serverraum. Dadurch ist die Kühlmethode nicht von der Außenluftqualität abhängig.

Handelt es sich um einen Luft/Luft-Wärmeübertrager, spricht man von einstufiger, indirekter freier Kühlung. Transportiert ein Medium (oft: Wasser-Glykol-Gemisch) die Kälte der Außenluft nach drinnen und die Abwärme nach draußen, spricht man von zweistufiger, indirekter freier Kühlung.

Die beiden notwendigen Wärmeübertrager innen und außen führen zu einem Verlust an Effizienz. Experten gehen von einem Wirkungsgrad von 70 Prozent aus. Einstufige Varianten benötigen gegenüber zweistufigen Lösungen vier- bis sechsmal mehr Platz. Sie bewegen vergleichsweise große Luftmengen, zudem sind oft zusätzliche Öffnungen für Zu- und Abluft nötig.

Prinzip: zweistufige, indirekte freie Kühlung mit "DX"-Klimagerät und Trockenkühler

Hier steht ein Klimaschrank mit Freikühlwärmeübertrager im Rechenzentrum. Der Trockenkühler steht außerhalb des Gebäudes und ist per Kaltwasserleitung mit dem Klimagerät verbunden. Ist die Außenluft kälter als die Rücklufttemperatur, stellt dieses System Kälte im Mischbetrieb aus mechanischer und freier Kühlung bereit. Ab welchem Temperaturunterschied die freie Kühlung einsetzt, hängt von der Dimensionierung des Trockenkühlers ab.

Prinzip: zweistufige, indirekte freie Kühlung mit wassergekühltem Klimagerät und Kaltwassersatz

Hier ist der Freikühlwärmeübertrager in den Kaltwassersatz integriert. Im Datenzentrum steht entweder ein Trockenkühler oder ein Kühlturm. Wenn nun die Außenlufttemperatur unter die Kaltwassertemperatur sinkt, schaltet der Kaltwassersatz die Freikühlung hinzu (Mischbetrieb).

100 Prozent freies Kühlen findet dann statt, wenn die Außenlufttemperatur niedrig genug ist, sodass der Trockenkühler ausreichend kaltes Wasser für das Klimagerät bereitstellen kann.

Fazit

In Daten- und Rechenzentren steckt noch riesiges TGA-planerisches Potential. Zurzeit kann die freie Kühlung selten ganz zeigen, was sie kann. Und auch als Wärmequelle fungieren erste wenige Rechenzentren. Das macht sie zu einer wahren "Schatzkammer" für zukunftsorientierte Ingenieure. Die Verknüpfung zur Wärmeinfrastruktur erkennen andere Marktteilnehmer bereits – und agieren entsprechend: Neben den großen Akteuren im Internetgeschäft investieren vermehrt Energieversorger (z.B. Mainova, E.ON) in Rechenzentren. Doch Contracting mit Abwärme aus Rechenzentren ist das Thema einer anderen Geschichte.

Mittwoch, 19.08.2020