Rauch- und Wärmeabzug richtig planen

Herausforderung: Photovoltaik?

Lüftung, Begrünung und vor allem Photovoltaik (PV): Dachflächen haben sich in den letzten Jahren zu echten Nutzflächen entwickelt.

Damit die gemeinsame Nutzung, vor allem vor dem Hintergrund der kommenden Solarpflicht, auf gesicherten Grundlagen basiert, müssen die Fachdisziplinen mehr denn je frühzeitig bei der Konzeption zusammenarbeiten. Denn integrale Planung muss sich nicht immer auf ein komplettes Gebäude beziehen. Bereits bei der Ausführungsplanung einer Dachfläche insbesondere im industriellen Bereich wird es immer wichtiger, diese Flächen in ihrer Gesamtheit zu betrachten.

Auf den ersten Blick scheinen bei der Planung großer Dachflächen für ein Industriegebäude oder auch für Verkaufs- oder Versammlungsstätten die Anforderungen bezüglich Witterungsschutz durch die Dachabdichtung sowie für die erforderliche Wärmedämmung im Vordergrund zu stehen. In Abhängigkeit zur späteren Nutzung des Gebäudes sind aber bereits bei der Konzeption des Daches außerdem unterschiedliche Brandschutz-Anforderungen zu berücksichtigen.

Bereits seit vielen Jahrzehnten werden in die Dachflächen Tageslichtöffnungen, wie Lichtkuppeln, Lichtbänder oder Flachdachfenster, integriert. Diese Öffnungen haben bei entsprechender Planung einen hohen Anteil an der Energieeffizienz eines Gebäudes. Durch sie werden Energiekosten für die Beleuchtung eingespart. Zusätzlich trägt im Heizfall der solare Wärmegewinn dazu bei, die erforderliche Heizwärme zu reduzieren. Gleichzeitig können die Lichtkuppeln oder Lichtbänder neben ihrer Funktion als Tageslichtöffnungen als „ausschmelzende Wärmeabzugsflächen“ zur thermischen Entlastung eines Gebäudes im Brandfall zum Einsatz kommen. Je nach späterer Nutzung eines Gebäudes sind diese Wärmeabzugsflächen eine wichtige Grundlage, dass die heute für moderne Produktionsanlagen erforderlichen Gebäudeabmessungen überhaupt errichtet werden können und gleichzeitig die Anforderungen der Bauordnungen erfüllen.

Werden die Lichtkuppeln, Lichtbänder oder Flachdachfenster mit geeigneten Öffnungseinrichtungen ausgestattet, können sie auch zur Be- und Entlüftung sowie als natürliche Rauch- und Wärmeabzugsgeräte (NRWG) verwendet werden.

Diese stellen einen weiteren wichtigen Beitrag zur Sicherheit des Gebäudes im Brandfall dar. Sie unterstützen die Feuerwehr bei ihren Löscharbeiten, ermöglichen die sichere Nutzung von Flucht- und Rettungswegen und haben einen entscheidenden Beitrag beim Sachschutz. Über die Schutzziele des Baurechts und den Personenschutz hinaus ist gerade der Sachschutz – der Schutz der Produktionseinrichtungen, Rohstoffe, Halb- und Fertigwaren – elementar für den Fortbestand eines Unternehmens nach einem Brand.

Solarpflicht in manchen Bundesländern

Eine neue Herausforderung liegt in der Entwicklung der letzten Jahre begründet: Dachflächen von Industriegebäuden, Verkaufs- oder Versammlungsstätten haben sich zu echten Nutzflächen entwickelt. Auf ihnen werden Lüftungs- und Klimaanlagen aufgestellt, immer häufiger werden sie als begrünte Flächen ausgeführt und zusätzlich kommt (in einigen Bundesländern bereits verbindlich eingeführt, in anderen in Vorbereitung) die Solarpflicht hinzu. Diese gesetzlichen Vorgaben zum Einbau von Photovoltaik- und Solarthermieanlagen auf Neu- und auch Bestandsgebäuden stellen einen wichtigen Beitrag zum Ausbau und zur Nutzung der regenerativen Sonnenenergie dar. Die gemeinsame Nutzung der Dachflächen sollte natürlich auf gesicherten Grundlagen basieren. Die sichere Funktion der teilweise bauordnungsrechtlich vorgeschriebenen Komponenten, wie beispielsweise die natürlichen Rauchabzugsgeräte, muss sichergestellt sein. Daher wird es zukünftig verstärkt erforderlich sein, dass die beteiligten Fachdisziplinen frühzeitig bei der Konzeption zusammenarbeiten.

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Erreichbarkeit der NRWG

Lichtkuppeln, Lichtbänder oder Flachdachfenster besonders in der Kombination mit Rauch- und Wärmeabzugsgeräten müssen, damit sie im Bedarfsfall sicher funktionieren, regelmäßig geprüft und instand gehalten werden. Der Bedarfsfall für die Rauch- und Wärmeabzugsgeräte ist der Brandfall. Die Geräte müssen daher jederzeit sicher und ohne Einschränkungen funktionieren. Nur so kann ihr Beitrag zum Erreichen des jeweiligen Schutzziels sichergestellt werden. Um die Einrichtungen zu prüfen und die Instandhaltung zu ermöglichen, müssen sie erreichbar sein. Hierzu sind Zugangswege mit einer Breite von mindestens 0,5 m zu den Geräten erforderlich. Auch um die Geräte sollte ein wenigstens 0,5 m breiter Freiraum (Abb. 2) die Erreichbarkeit sicherstellen.

Die Lichtkuppeln und Klappen in Lichtbändern, die Rauch- und Wärmeabzugsgeräte öffnen im Brandfall in der Regel auf etwa 160 bis 170°. Dieser Öffnungsbereich darf nicht eingeschränkt werden (Abb. 3). Dies gilt nicht nur für PV-Systeme, sondern auch für Lüftungsgeräte, Schornsteine und Blitzableiter, die grundsätzlich nicht im Öffnungsbereich der Rauch- und Wärmeabzugsgeräte zu installieren sind. Bei den Rauch- und Wärmeabzugsgeräten ist der für die Instandhaltung erforderliche Freiraum auch um die geöffnete Klappe herum sicherzustellen (Abb. 5).

Aerodynamisch wirksame Fläche

Natürliche Rauchabzugsgeräte müssen ihre grundsätzliche Eignung durch eine Prüfung nach der europäischen harmonisierten Norm DIN EN 12101-2 („Rauch- und Wärmefreihaltung – Teil 2: Natürliche Rauch- und Wärmeabzugsgeräte“) nachweisen. Harmonisierte Norm bedeutet, dass diese Norm grundsätzlich in allen europäischen Ländern für diese Bauprodukte verbindlich ist. Unter anderem müssen die natürlichen Rauch- und Wärmeabzugsgeräte auch ihre aerodynamische Wirksamkeit nachweisen. Hierbei werden die Geräte bei einer Prüfung im Windkanal in der jeweiligen Funktionsstellung (in der Regel auf ca. 160 bis 170° geöffnet) mit zusätzlichem Seitenwind geprüft. Auf diesem Weg werden die tatsächlichen Strömungsverhältnisse innerhalb der Geräte ermittelt. Über einen Bei-wert ergibt sich dann die aerodynamisch wirksame Fläche der Rauchabzugsgeräte. Diese Fläche wiederum ist Grundlage für die Auslegungsberechnungen (z. B. nach DIN 18232-2 oder der Industriebaurichtlinie), mit denen die erforderliche Fläche der Rauchabzüge für das jeweilige Gebäude und das jeweilige Schutzziel ermittelt werden. Der Öffnungswinkel der Geräte darf daher nicht über bauseitige Maßnahmen oder andere Aufbauten und Einrichtungen auf dem Dach eingeschränkt werden, da damit gleichzeitig die Wirksamkeit der Geräte beeinträchtigt würde (Abb. 6).

Einrichtungen auf dem Dach, wie Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen, können die Strömungsverhältnisse auf dem Dach so verändern, dass auch die aerodynamische Wirksamkeit der Rauchabzüge eingeschränkt wird. Je nach zu erreichendem Schutzziel kann dies Folgen für den Personenschutz, den Löschangriff der Feuerwehr oder auch den Sachschutz haben. Um dies möglichst auszuschließen, haben sich die folgenden Abstandsregeln seit einigen Jahren bewährt.

Mindestabstände beachten

Sprich: Erforderlicher Abstand von mindestens 2 m zu den natürlichen Rauch- und Wärmeabzugsgeräten, wenn die Höhe der PV-Module (hS) niedriger oder gleich der Höhe der Austrittsöffnung der natürlichen Rauch- und Wärmeabzugsgeräte (h) ist (Abb. 7). Erforderliche Abstände von mindestens 5 m zu den natürlichen Rauch- und Wärmeabzugsgeräten, wenn die Höhe der PV-Module (hS) höher als die Höhe der Austrittsöffnung der natürlichen Rauch- und Wärmeabzugsgeräte (h) ist (Abb. 8). Neben der Nutzung der Dachfläche muss selbstverständlich auch die Arbeitssicherheit, der Schutz vor Ab- und Durchsturz im Randbereich und an den Dachöffnungen, berücksichtigt werden. Um den Anforderungen des jeweiligen Bauvorhabens, den Erwartungen und Anforderungen des Kunden und den unter-schiedlichen Erfordernissen der verschiedenen Nutzungen gerecht zu werden, ist frühzeitig ein abgestimmtes Nutzungskonzept für die jeweilige Dachfläche erforderlich. Dies ist nur möglich, wenn frühzeitig alle beteiligten Fachbereiche in die Planung eingebunden werden.

Dienstag, 30.08.2022