Nach 2- und 3D mit BIM auf eine neue Evolutionsstufe

Architektur und Haustechnik in Symbiose

Insbesondere bei größeren, gewerblich genutzten Objekten entwickelt sich aktuell immer stärker eine ungemein spannende Wechselbeziehung zwischen Architektur und Haustechnik: Auf der einen Seite die Gebäudehülle als expressiver Ausdruck gestalterischen Selbstverständnisses. Auf der anderen Seite gleichzeitig die Forderung, dass über die Fassade grundlegende Objekt- und Gebäudefunktionalitäten wie Energiegewinnung oder Wärmeschutz, Lichtführung oder Nutzungsvariabilität dahinter liegender Räumlichkeiten erfüllt werden sollen. Zu leisten ist das nur über einen integralen Planungsansatz mit einer Datenstruktur, die als Building Information Modeling (BIM) über alle Realisierungsphasen hinweg trägt.

Die Stichworte Integrale Planung und BIM sind nicht neu, in der breiten Planungspraxis bislang aber kaum wirklich angekommen. Eine aktuelle Studie des Innovationsnetzwerkes FUCON 4.0 vom Fraunhofer Institut Arbeitswirtschaft und Organisation weist zwar aus, dass 80 Prozent der befragten Planer und Ausführenden die Planungsmethode BIM kennen – doch weder die Methodik noch die Konzepte der entsprechenden Architektur-Software-Unternehmen haben bislang die Mitte der deutschen Bauwirtschaft erreicht. Im Gegensatz zu den skandinavischen Ländern, zu Großbritannien oder der Türkei im Übrigen, wo die BIM-gestützte Planung in öffentlichen Ausschreibungen zum Teil schon Standard ist. Es besteht also zunehmend Handlungszwang. Spätestens mit der 2015 gegründeten, branchenumfassend aufgestellten „planen und bauen 4.0 GmbH“ dürfte jetzt aber auch hierzulande Bewegung in die BIM-Einführung kommen.

Warum brauchen wir BIM?

Dass integrale Planung im Allgemeinen und BIM im Besonderen künftig unabdingbare Notwendigkeit für jeden komplexeren Bauprozess werden, lässt sich fernab jeder akademischen Diskussion am einfachsten an einem konkreten (Bau-)Beispiel dokumentieren. Hier: an den Anforderungen, die von Architekten international an Freiform-Fassaden wie dem „Parametric System“ von Schüco gestellt werden. Also jene Fassaden, die im Prinzip fernab standardisierter Gleichmäßigkeiten die Einmaligkeit jedes einzelnen Fassadenelements ausdeklinieren – gleichzeitig aber virtuos jedes dieser Fassadenelemente mit Funktionalitäten aufladen, die weit in die Betriebsphase des Gebäudes abstrahlen. Wärmedämmung und Tageslichtnutzung gehören dazu oder die Integration von Verschattung. Eine gewisse Blickführung von außen wie von innen, die Minimierung von Blendung oder die Nutzung zur Gewinnung solarer Energie sind ebenfalls typisch.

Das mit konventioneller Planungs- und Umsetzungsmethodik in 2D oder 3D lösen zu wollen, ist technisch möglich, jedoch komplex und nicht wirtschaftlich: In jedem Fall würde der Datenstamm so umfangreich, dass er – über die folgende Prozesskette hinweg weiter anwachsend – sehr schnell nicht mehr zu handhaben wäre. Hinzu kommen die üblicherweise während der weiteren Planung und Umsetzung auftretenden Veränderungen. Sie verlustfrei und vor allem prozesssicher in den ursprünglichen ­Datenstamm einzupflegen, ist realistisch kaum zu leisten.

Genau diese Anforderungen werden aber (unabhängig von der Komplexität des eingesetzten Fassadensystems!) künftig wesentlich häufiger gestellt werden als bisher: Das Interesse der Investoren an einer möglichst variablen Nutzung der Objekte, speziell über den Lebenszyklus hinweg betrachtet, spielt dabei eine wichtige Rolle, das Interesse der Mieter an einer leicht zu verändernden, dem wechselnden Bedarf folgenden Nutzung „ihrer“ Räumlichkeiten eine weitere.

Wie „übersetzt“ Schüco die Anforderungen?

Als Bindeglied zwischen den unterschiedlichen Projektbeteiligten – Investoren, Architekten wie Aus-führende – sieht sich Schüco in der Verantwortung, über die gesamte Realisierung hinweg den Beteiligten immer genau die Daten zur Verfügung zu stellen, die für sie relevant sind. Schon in den 80er-Jahren wurden entsprechend Schüco CAD-Lösungen für Planungsarbeiten (pc-draft) zur Verfügung gestellt. Der nächste große Baustein war eine CAD-Bibliothek von 2D-Schnitten. 2014 folgte im Rahmen der Schüco IT-Serviceleistungen die erste Auswahl an BIM 3D-Bauelementen, die seitdem kontinuierlich ausgebaut und für die Programme Revit und ARCHICAD kostenlos auf der gewerkeübergreifenden und herstellerneutralen Plattform BIMobject im Internet bereitgestellt werden.

Die Daten der für Revit und Rhino verfügbaren „intelligenten Elemente“-Bibliothek des Schüco Parametric Systems für Freiform-Fassaden sind dabei (im Gegensatz zu den bekannten generischen Elementen) schon mit allen entscheidenden Eckwerten hinterlegt, also auf jeden Fall technisch machbar. Gleichzeitig können sie über eine einfache Eingabemaske verändert und individuell an ihre Position und Bestimmung innerhalb der Freiform-Fassade angepasst werden. Die Anpassung der Dimensionierungen gehört ebenso dazu wie beispielsweise die Ausrichtung innerhalb der Fassade oder die Aufwertung des Elements um Zusatzfunktionen wie gebäudeintegrierte Photovoltaik, Sonnenschutz oder Opazität.

Im Hintergrund läuft dabei automatisch immer eine Plausi­bilitäts- und Machbarkeitskontrolle ab. So werden schon in der Planungsphase technische oder wirtschaftliche Probleme, die sich eventuell in der Umsetzung ergeben könnten, vermieden. Stichwort: statische Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen. Gleiches gilt für die Beachtung einschlägiger Normen und Regelwerke.

Welchen Nutzen hat der BIM-Datenstamm?

Die Tiefe der „intelligenten Elemente“-Bibliothek des Schüco Parametric Systems wirkt sich also zum einen unmittelbar auf die Prozesssicherheit aus. Zum anderen sind die Daten so strukturiert, dass sie über die nachfolgenden Realisierungsstufen hinweg schnittstellenoptimiert eingesetzt werden können. Und zwar bis zum Metallbauer, der die Pläne des Architekten letztlich über die mechanische Bearbeitung von Profilen in ihre endgültige (Fassaden)Form umsetzen muss. Das bringt gleichzeitig wirtschaftliche Planungssicherheit, da Nacharbeiten oder Korrekturen entfallen.

Theoretisch betrachtet wäre für dieses Anforderungsprofil eine von allen Prozessbeteiligten genutzte Software das Ideal. In der Praxis ist das aber aufgrund des mit zunehmendem Detaillierungsgrad förmlich „explodierenden“ Datenvolumens nicht darstellbar. Schüco geht daher bei den aus der „intelligenten Elemente“-Bibliothek generierten Planungsdaten von einer rollenbezogenen Stufigkeit aus:

• Für den Architekten ist nur die Datenbasis entscheidend, die er für das Spannungsfeld aus gestalterischer Freiheit und technischer Umsetzbarkeit braucht.

• Der Fachplaner für Fassadentechnik wiederum wird ein auf die Informationen (= Daten) des Architekten aufbauendes Fachmodell einsetzen, das schon deutlich detaillierter ist.

• Das Maximum an Daten läuft in der Prozesskette aber letztlich bei dem Metallbauer auf, in dessen Arbeit beispielsweise auch die CNC-Bearbeitungsdaten einfließen müssen.

Im Ergebnis unterstützen die 3D-Geometriedaten den Architekten dergestalt, dass sie einen realistischen Eindruck des Entwurfs vermitteln. Er kann so ideal für die Abstimmung mit dem Bauherrn genutzt werden. Die im Hintergrund enthaltenen Konstruktionsdetails und Informationen vereinfachen gleichzeitig die nachfolgende Werk- und Detailplanung; beispielsweise für die Massenermittlung oder eine Bauteilliste.

Über die Programme Revit oder Rhino, vom Architekten kommend, erfolgt die Ausarbeitung der technischen Details durch den Fachplaner dabei mit dem Programm SchüCad Inventor. Der Metallbauer spielt die konstruktiven Lösungen im ­Anschluss aus den Schüco Katalogen in SchüCal, der Software für Kalkulation und Arbeitsvorbereitung ein, bevor dann – ­wiederum mit SchüCad Inventor – die Daten der finalisierten Einzelkomponenten zur Profilbearbeitung und Fertigung an die CNC-Bearbeitungsmaschinen durchgereicht werden.

Die Austauschfunktionen sind so gestaltet, dass die Anwender auf allen Seiten die volle Kontrolle über den Datenfluss haben: Sowohl beim Export aus dem Gebäude­modell als auch beim Export auf Seiten von SchüCal kann der Anwender in jedem Einzelfall entscheiden, welche Datentiefe er dem jeweils anderen zu diesem Zeitpunkt liefern will.

Warum nicht schon früher?

Die beschriebenen Vorteile eines durchgängigen Datenaustauschs hat Schüco im Übrigen schon frühzeitig erkannt – und bereits 2011 eine bidirektionale Schnittstelle zwischen SchüCal und Revit entwickelt: Über ein kleines Zusatzprogramm in ­Revit und eine Import-Schnittstelle in SchüCal kann seitdem schon die mit der eindeutigen Elemente-ID verknüpfte Basisgeometrie eines Bauteils als Ausgangspunkt für das detaillierte Ausarbeiten einer Fenster-, Tür- oder Fassadenposition genutzt werden.

Wird dieser Datenaustausch in der Folge dann mehrfach dem Bau- oder Entwicklungsfortschritt folgend zwischen Metallbauer und Architekt/Planer wechselseitig praktiziert, ergibt sich sogar ein Nachführen der Modelle in einen „as-built“-Status.

Diese Fortschreibung der Daten ist umso interessanter, als im nächsten Entwicklungsschritt die in SchüCal ermittelten spezifischen Daten beispielsweise über die Umweltauswirkungen der Bauelemente nicht nur in einem PDF-Dokument als Umweltproduktdeklaration ausgegeben, sondern auch als entsprechender XML-Datensatz an eine geeignete Zertifizierungssoftware zur Weiterverarbeitung übergeben werden könnten. Das setzt aber zwingend besagten „as-built“-Status voraus, da in wohl jedem Realisierungsprozess von Abweichungen gegenüber den ursprünglichen Planungsdaten ausgegangen werden muss.

Fazit

Bereits heute wenden viele Unternehmen intern oder in Kooperation mit Partnern BIM-Methoden an. Dieser Datenaustausch wird (besonders auf internationaler Ebene) an Dynamik zunehmen. Wie bei allen neuen Technologien wird aber auch bei BIM die Diskussion in der Fachöffentlichkeit auf verschiedenen Ebenen geführt: mit den BIM-Enthusiasten auf der einen Seite und den Pragmatikern auf der anderen. Dieser gelebten Planungs- und Baupraxis trägt Schüco mit seinen im Haus entwickelten, unterschiedlich tiefen und unterschiedlich bereitgestellten Datenmodellen in jeder Hinsicht Rechnung.

Montag, 03.10.2016