„IFC4“ im TGA-BIM-Workflow

Für eine zukunftsfähige Open-BIM-Projektierung ist das offene, digitale Dateiformat IFC (Industry Foundation Classes) unverzichtbar.

Die meisten TGA-Projektierungsprogramme bedienen vorrangig die vorletzte Version „IFC2x3“. Das aktuelle Format „IFC4“ kommt bisher überwiegend in BIM-Softwares für Architektur und Tragwerksplanung zur Anwendung. Erst im September 2021 hat mit MagiCAD 2022 für „Revit“ die erste TGA-BIM-Software das offizielle „IFC4“-Zertifikat erhalten. Viele TGA-Planungsbüros zucken jetzt vielleicht mit den Schultern, denn die Arbeit mit „IFC2x3“ funktioniert für sie gut. Warum ist „IFC4“ dennoch in der gewerkeübergreifenden BIM-Projektierung auch für TGA-Planende entscheidend und welchen Nutzen können sie erwarten? Florian Bach, Technical Consulting Engineer bei MagiCAD, beantwortet im folgenden Interview diese und andere Fragen.

Gleich vorneweg: Warum ist das „IFC4“-Format für die Technische Gebäudeausrüstung (TGA) wichtig?

Seit der Einführung der ersten Version „IFC1.0“ im Jahr 1997 hat sich viel getan. Aus jeder Version wurden Erkenntnisse für Verbesserungen gewonnen. Das Format wird stetig weiterentwickelt. Nicht ohne Grund stellt „IFC2x3“ in der Baubranche den Standard für einen intelligenten, modellbasierten Informationsaustausch dar. Aber auch „IFC4“ hält sinnvolle Erweiterungen und Optimierungen bereit. Sicher, auf den ersten Blick erscheinen diese für die TGA-Planung wenig relevant. Aber eine wettbewerbsfähige Projektierung steht und fällt mit der reibungslosen Zusammenarbeit mit anderen Fachgewerken. Es sitzen schließlich alle im gleichen Boot – oder besser: im gleichen Gebäude. Je fehlerfreier und genauer die einzelnen Fachmodelle zusammengeführt und die enthaltenen Informationen geprüft sowie abgestimmt werden, umso effizienter die Koordination und hochwertiger das Ergebnis.

Gibt es einen offiziellen ISO-Standard für das „IFC“-Format?

Ja: „IFC4“. So einfach! „IFC“ übermittelt beim Austausch sehr umfangreiche und komplexe Informationsstrukturen. Die Standardisierung des Formates war wirklich wichtig. Damit können alle relevanten Projektinformationen platt-formunabhängig und gewerkeübergreifend ausgetauscht und verarbeitet werden. Die Version „IFC2x3“ ist nicht offiziell standardisiert. Der ISO-Standard 16739 („Industry Foundation Classes (IFC) für den Datenaustausch in der Bauindustrie und im Anlagen-Management“) wurde erst mit der Version „IFC4“ vergeben. Jede Software, die diesen Standard unterstützt, kann also länderübergreifend sowie herstellerunabhängig das Fachmodell möglichst verlustfrei an andere CAD-Systeme übertragen oder umgekehrt empfangen.

Wofür steht „IFC4-MVD“?

„MVD“ steht für „Modell View Definition“: In jedem Planungsprozess wird vorab für den „IFC“-Datenaustausch eine Vorgabe für die Modelldefinition bestimmt, die sogenannte „MVD“. Um buildingSMART zu zitieren: Sie stellt „eine Anleitung für alle IFC-Begriffe zur Verfügung – also Klassen, Attribute, Beziehungen, Eigenschaftssätze, Mengendefinitionen und mehr“.

Damit können wir Planungsbeteiligten bei der Koordination die komplexe „IFC“-Informationsstruktur der einzelnen Modelle auf eine projektrelevante Teilmenge herunterbrechen. Denn für den Export einer „IFC“-Datei ist der Ver-wendungszweck entscheidend. Wir müssen uns überlegen: Dient sie „nur“ Koordinationszwecken oder sollen der Datei im Verlauf des Planungsprozesses weitere Informationen, zum Beispiel technische Produktspezifikationen, entnommen werden können? Beide Planungszwecke haben unterschiedliche Ansprüche an den Detaillierungsgrad der übertragenen Modelle, also an die Informationsbedarfstiefe – besser bekannt als „LOIN“ („Level of Information Need“). Das wiederum wirkt sich auf den Datenumfang aus, der nicht über das geforderte Informationsmaß hin-ausgehen sollte. Bauteile mit hohem Detaillierungsgrad, wie realgetreuer Geometrie („Level of Geometry“/„LOG“), sind oft erst in späteren Projektphasen notwendig.

Darum ermöglicht die Version „IFC4“ zwei verschiedene „MVD“: Der „IFC4 Design Transfer View“ stellt die Bauteile als simple extrudierte Körper oder als „B-rep“ (Begrenzungsflächen) dar. Das erlaubt die spätere Weiterbearbeitung des Gebäudemodells.

Der „IFC 4 Reference View“ dagegen dient speziell der Koordination. Diese Ansicht wird in der TGA-Planung häufig genutzt. Die BIM-Modelle werden oft zur Abstimmung der Gewerke, wie bei der Untersuchung auf Kollisionen, zusammengeführt. Hierfür ist eine simplifizierte Darstellung der Bauteile als dreidimensionale Objekte ausreichend. Für die Koordination von Durchbrüchen haben sich beispielsweise Platzhalter („Provision For Void“) mit den jeweils korrekten geometrischen Abmessungen bewährt.

„IFC4“ ermöglicht auch eine erweiterte Gebäudesimulation. Inwiefern ist dies nützlich für die TGA?

Die überarbeiteten Definitionen von Raumbegrenzungen und die neu eingeführten eigenen Klassen für 1st- und 2nd-Level optimieren die Energieberechnungen für TGA-Systeme. Neu ist auch die Definition von thermischen Zonen – zum Beispiel für Belüftung. Thermische Begrenzungen wurden als spezielle Untertypen mit direktem Bezug zu gegenüberliegenden sowie inneren Begrenzungen hinzugefügt. Auch der Außenbereich kann als „Raum“ in die Planung einbezogen werden. Äußere Begrenzungen werden darin unterschieden, ob sie zur Außenluft, zum Erdreich, zum Wasser oder zu benachbarten Gebäuden zeigen. Klar, für die TGA ist das kein direkter Vorteil, weil wir nur den MEP-Raum benötigen (MEP = Mechanical, Electrical, Plumbing) – aber indirekt profitieren wir. Denn je nach TGA-Software werden diese Informationen beispielsweise zur Berechnung der Kühllast an Programme wie „IDA Indoor Climate and Energy“ („IDA ICE“) der EQUA Solutions AG weitergegeben. Wird hier die Leistungsfähigkeit von TGA-Systemen genauer berechnet und simuliert, nutzt das im weiteren Projektierungs-Workflow auch der TGA.

Bietet „IFC4“ TGA-spezifische Optimierungen?

Jede Menge. Die Zuordnung von Bauteilen zu den entsprechenden „Ifc“-Objekttypen ist aufgrund von Unklarheiten eine ständige Fehlerquelle beim Import von Fachmodellen in eine andere BIM-Software. Jetzt erleichtert die einheitliche Benennung von „Ifc“-Objekt und „Ifc“-Objekttypen die korrekte Zuordnung. Für jeden Objekttypen ist ein passendes Objekt vorhanden, zum Beispiel der „IfcBoiler“ für „IfcBoilerType“. Weitere neue verfügbare „Ifc“-Objekte für TGA-Elemente sind unter anderem „IfcBurner“, „IfcSolarDevice“, „IfcEngine“, „IfcElectricDistribution-Board“ oder „IfcUnitaryControlElement“. Das vereinfacht zusätzlich die Nutzung in Planungsphasen, in denen die genauen Informationen zu den Objekttypen noch nicht ausgearbeitet sind. Richtig praktisch finde ich die neue „Ifc“-Definition der TGA-Elemente vorrangig über ihre Funktion, anstatt über ihre Energiequelle. Gerade zwischen HLS- und Elektro-Gewerken gibt es bei Bauteilen oft Überschneidungen. Die Zuordnung war da relativ unübersichtlich. Elektrische Heizgeräte sind nach den Neuerungen zum Beispiel generalisiert als „Heizgerät“ klassifiziert. Ebenso wurden die Definitionen von HLK-Elementen überarbeitet. Die stehen auch in genauerem Bezug mit ihrer jeweiligen Systemfunktion, also beispielsweise als Segment, Armatur, Luftauslass, Energieumwandler. Jetzt fällt ein Gasbrenner unter die Typenkategorie „brennstoffunabhängige Brennerklasse“.

Auch im Hinblick auf Anschlüsse wurden verschiedene Eigenschaftseinstellungen deutlicher formuliert. Statische Eigenschaftsdefinitionen wurden in entwurfs- und leistungsbezogene Eigenschaften eingeteilt. Die Anschlüsse werden jetzt über verschachtelte Beziehungen definiert, zum Beispiel bei einem HLS-Bauteil mit einem elektrischen Anschluss.

Um die unterschiedlichen TGA-Anlagensysteme in neuen Elementen genauer zu erfassen, gibt es Spezialisierungen für TGA-Systeme, zum Beispiel „IfcDistributionSystem“. Es stehen vordefinierte „Ifc“-Typen für verschiedene Heizungs-, Kühlungs-, Lüftungs-, Sanitär-, Sicherheits- sowie elektrische Systeme zur Verfügung.

Meiner Meinung nach bietet das „IFC4“-Format eine erheblich einheitlichere und umfassendere „Ifc“-Struktur für die Elemente der Technischen Gebäudeausrüstung. Das fördert eine einfachere Anordnung, führt zu einer geringeren Dateigröße und unterstützt die Kompatibilität mit „IFC2x3“ in beide Richtungen.

Demnach lohnt sich die BIM-Planung mit „IFC4“?

Im momentanen TGA-Planungsalltag spielt „IFC“ zumeist in der Koordination von BIM-Modellen eine Rolle. Der Austausch von komplexen BIM-Projektdaten steht noch ein wenig hinten an.

Gerade bei älteren „IFC“-Versionen ist die Verlustquote von Informationen bei der Übertragung der Fachmodelle hoch. Wenn Raumgeometrien oder komplexe Bauteile, wie Wanddurchbrüche, nicht fehlerfrei übertragen werden, erfüllt „IFC“ seinen Planungszweck nicht vollständig.

Häufig liegt das auch an der verbesserungswürdigen Nutzerfreundlichkeit des Formats: Sind Bauteile ungenau definiert oder unsauber modelliert, sind Kommunikationsprobleme vorprogrammiert. Sowohl Fachleute als auch die genutzten CAD-Systeme „reden“ quasi aneinander vorbei.

In der TGA-Praxis bedeutet das beispielsweise, dass Kollisionen zwischen verschiedenen Bauteilen oder Gebäudeelementen nicht rechtzeitig erkannt und korrigiert werden können. Die Entwicklung hat bei „IFC4“ viele Quellen für derartige Unklarheiten behoben.

Wird der „IFC4“-Workflow bald gängige BIM-Praxis?

Wir stehen an einer Grenze. Und da hakt es aktuell auch. In einem Open-BIM-Workflow mit mehreren Projektbeteiligten empfehle ich zurzeit immer noch „IFC2x3“. Da haben wir die Sicherheit, dass alle Beteiligten damit zurechtkommen. Das liegt aber weniger an der Funktionsfähigkeit von „IFC4“. Es wird schlichtweg nicht umfassend genug eingesetzt.

Das „IFC4“-Format als solches bietet klare Vorteile, wenn alle Projektbeteiligten damit arbeiten. Die „IFC4“-Zertifizierung von MagiCAD für „Revit“ bezieht sich auf den „IFC“-Export. In einem BIM-Workflow mit anderen „IFC4“-kompatiblen Softwares werden so vor allem Probleme, die sich aus der Geometrie ergeben, erkannt und behoben. Der BIM-Durchbruchsworkflow profitiert erheblich von den Optimierungen des „IFC4“-Formats. Wir haben das mit der Architektursoftware „ArchiCAD“ durchgespielt. Die TGA-Modelle von MagiCAD werden nach der Übergabe mit „IFC4“ viel einfacher von „ArchiCAD“ gelesen.

Die Durchbrüche werden als Platzhalter in einer „Provision-for-Void-IFC“ direkt an die Architektursoftware kommuniziert und durch neue Eigenschaften genauer beschrieben. Die tatsächliche Öffnung wird dadurch viel präziser und direkt als physisches Bauteil im Architekturmodell übernommen. Gerade bei der Koordination mit den Architektinnen und Architekten ist die genauere Definition der BIM-Objekte durch die verbesserten „IFC“-Klassen, -Typen und -Eigenschaften ein Pluspunkt. Vornehmlich arbeiten Architektinnen und Architekten mit „IFC4“ und fördern das Format natürlich entsprechend. Wir sehen aber einen großen Vorteil darin, bei der Planung mit „IFC4“ mitziehen zu können. Im Prinzip macht man der anderen Software das Leben damit leichter. Bei BIM-Projekten ist eine reibungslose und effiziente Koordination mit den anderen Fachgewerken essentiell.

Also zählt bei „IFC4“ der Blick über das eigene Gewerk hinaus?

Genau! Letztendlich müssen wir TGA-Planenden für einen erfolgreichen BIM-Workflow nicht nur das eigene Fachmodell im Blick haben, sondern uns auch den Informationsaustausch mit den anderen Gewerken vor Augen führen.

Der Sprung von „IFC2x3“ zu „IFC4“ scheint für uns nicht gigantisch. Aber es gibt viele kleine Details, die sich zu einer großen Verbesserung summieren. Auch wenn man als Anwenderin und Anwender von den Neuerungen vielleicht nicht viel merkt – die TGA-Fachmodelle übertragen mehr Daten und präzisere Informationen. Das Ergebnis ist eine fehlerfreiere und optimierte BIM-Projektierung. Wenn das einmal läuft, dann ist das eine richtig gute Sache.

Dienstag, 12.07.2022