Nachhaltigkeit

Zurück in die Zukunft

Freitag, 30.09.2016

Ansicht eines antiken Tempels
Quelle: Maischatz
Der demokratische Aufbruch führte auch in Agrigent auf Sizilien zu einer regen Bautätigkeit. Ein schönes Beispiel dafür ist Tempel F, der sog. Concordia-Tempel, der um 430 vor Christus errichtet wurde.

Als Fachmann war ein leitender Architekt entweder Mitglied der Kommission oder er war ihr beigeordnet und sorgte für die notwendige Kontinuität und den notwendigen Austausch. Quellen aus Epidauros zeigen, dass seit Ende des 4. Jahrhunderts vor Christus dabei eine Trennung zwischen Aufsichtsorganen und Ausführenden angestrebt wurde.

Inschriften weisen des Weiteren darauf hin, dass die planenden Architekten wegen der zuvor durchgeführten Ausschreibungsverfahren ihre ausgearbeiteten Entwürfe in Textform präsentieren mussten, damit die Volksversammlung der jeweiligen Polis die Arbeiten genehmigen und zur Ausschreibung an Baukommissionen überweisen konnte.

Modelle, Skizzen, wahrscheinlich auch Angaben in Musterbüchern und Detailzeichnungen für spezielle Werkstücke erleichterten die praktische Umsetzung der Bauaufgaben. Auf den nicht geglätteten Wänden des Apollon-Tempels in Didyma hat der Bauforscher Lothar Haselberger 1979 auch großmaßstäbliche Planzeichnungen – Arbeitspläne für Säulen, Gebälke und andere Details – nachgewiesen. Die mit Rötel überzogenen Wandflächen der Innenwand dienten dabei als Reißbrett, in das die Zeichnungen eingeritzt und teilweise offenbar auch verworfen bzw. korrigiert wurden. Inzwischen sind weitere Nachweise aus anderen Orten erbracht worden.

Insgesamt war das Bauen also immer schon eine Aufgabe, bei der sich eine Vielzahl unterschiedlich ausgebildeter Menschen innerhalb eines begrenzten Zeitraumes und mit einem begrenzten Budget versehen zur Erfüllung einer bestimmten Bauaufgabe zusammenfinden musste.

Vitruv und das römische Bauen

Vitruvs „De Architectura Libri Decem“ (Zehn Bücher über die Architektur) ist die einzige Schrift der Antike über Architektur, die sich erhalten hat. Sie wird zwischen 33 und 14 vor Christus datiert und ist dem Kaiser Augustus gewidmet. Alle anderen früheren griechischen und römischen Schriften zur Architektur sind verloren bzw. teilweise nur dem Titel nach bekannt. Kein Wunder, dass sich deshalb insbesondere Architekten der Renaissance – mehr noch als die römischen Mitbürger – damit beschäftigten, auf ihn aufbauten oder sich gründlich mit ihm ­auseinandersetzten.

Ein zerfallener antiker Tempel mit großen Steinblöcken
Quelle: Maischatz
Ein kurzer Blick zurück in die griechische und römische Bautradition macht klar, dass der technische Wandel unserer Tage keine Kulturrevolution des Bauens ist.

Ansicht mächtiger antiker Tempelsäulen
Quelle: Maischatz
Um große Bauglieder wie die heute im Versturz liegenden Kapitelle des Hera-Tempels im sizilianischen Selinunt zu versetzen oder große Säulentrommeln auch über größere Entfernungen zu transportieren, hier ein in der Nähe von Selinunt im Steinbruch der Cave di Cusa stehendes Exemplar mit einem Durchmesser von 2,20 m und einer Höhe von 3,00 m, war eine perfekte Bauorganisation notwendig.

In Kapitel 2 des 1. Buches erläutert Vitruv die ästhetischen Grundbegriffe der Architektur und ihre Definitionen. Diese Grundbegriffe bleiben bis ins 19. Jahrhundert hinein Ausgangspunkte einer architekturtheoretischen Diskussion, auch weil einzelne dort verwendete Grundbegriffe wie ordinatio, dispositio, eurythmia, symmetria, decor und distributio bis heute nicht klar gegeneinander abgegrenzt werden können und sich ihre Systematik nicht erschließt. Nach Kap.3, 1.B. ­jedenfalls müssen öffentliche Bauten drei Kategorien genügen: 1. firmitas, 2. utilitas und 3. venustas. Firmitas (Festigkeit) deckt den Bereich der Statik, der Baukonstruktion ab; utilitas (Zweckmäßigkeit) bezieht sich auf die Nutzung von Gebäuden und die Garantie ungehinderter Funktionsabläufe, und venustas (Anmut) umfasst alle ästhetischen Forderungen, wobei die Wichtigkeit der Proportionen hervorgehoben wird.

Bezogen auf öffentliche Gebäude fasst Vitruv seine Forderungen so zusammen: „Diese Anlagen müssen aber so gebaut werden, dass auf Festigkeit, Zweckmäßigkeit und Anmut Rücksicht genommen wird. Auf Festigkeit wird Rücksicht genommen, wenn die Einsenkung der Fundamente bis zum festen Untergrund reicht und die Baustoffe, welcher Art sie auch sind, sorgfältig ohne Knauserei ausgesucht werden; auf Zweckmäßigkeit, wenn die Anordnung der Räume fehlerfrei ist und ohne Behinderung für die Benutzung und die Lage eines jeden Raumes nach seiner Art den Himmelsrichtungen angepasst und zweckmäßig ist; auf Anmut aber, wenn das Bauwerk ein angenehmes und gefälliges Aussehen hat und die Symmetrie der Glieder die richtigen Berechnungen der Symmetrien hat.“

Von Thomas Maischatz
Redaktion, Heizungs-Journal Verlags-GmbH
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