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Wärme

"The Future of Heating is Cooling"

Dienstag, 08.12.2020

Die Verknüpfung von Heating (= Wärme) und Cooling (= Kälte) führt uns auf ein "Zauberwort", das derzeit viel im Umlauf ist: Sektorenkopplung. Da spielen Strom und E-Mobilität mit hinein, von denen wir schon sprachen, und auch die dena arbeitet häufig mit diesem Begriff. Wie definieren Sie Sektorenkopplung für sich ganz persönlich?

König: Im Kern bedeutet Sektorenkopplung ja, verfügbare Energie bedarfsgerecht auf so unterschiedliche Segmente wie Strom, Wärme und Verkehr zu verteilen. Ich muss dann weder Energieverschwendung noch Überproduktionen fürchten und beispielsweise keine Windräder mehr abschalten. Ich nenne Ihnen mal ein Beispiel im Kleinen: Wenn ich den Strom für mein Hybridauto über eine eigene Photovoltaikanlage auf dem Dach beziehe, nutze ich verfügbare Sonnenenergie für einen Bereich, in dem sie früher nicht genutzt werden konnte. Genau das ist Sektorenkopplung.

Mit diesem "Beispiel im Kleinen" sind wir zugleich beim klassischen Privatkonsumenten angekommen. Herr Møller-Jensen, wie kann ein "Otto Normalverbraucher" eigentlich von all dem profitieren, was wir bisher angeschnitten haben?

Møller-Jensen: Durch ein energetisch modernisiertes Gebäude und eine bedarfsorientierte Wärmeversorgung spart der Verbraucher Energiekosten und er spürt einen verbesserten Komfort. Damit das möglich wird, müssen die Eigentümer aber auch mehr tun, als mal so nebenbei neue Thermostate einzubauen. Die Heizanlagen müssen saniert und vernünftig hydraulisch abgeglichen werden. Durch die neuen Fördermaßnahmen, die bis zu 45 Prozent Kostenerstattung ermöglichen, gibt es dafür auch erstmals einen starken Anreiz.

Nun haben wir ja auch, gerade in den Städten, einen großen Mietermarkt. Was hat der typische Mieter von Entwicklungen wie der Digitalisierung?

Møller-Jensen: Die Digitalisierung macht individuelle Optimierungen für jede Wohneinheit möglich. Davon würden alle profitieren, aber nicht jeder ist bereit, die erforderlichen Daten preiszugeben. Auch die Umlage von Sanierungskosten auf die Mieter ist stellenweise ein Problem. Hier müssen zum Teil noch harte Nüsse geknackt werden – und dabei geht es oft weniger um technologischen Fortschritt, als vielmehr um eine Kulturveränderung.

Wie steht es eigentlich um diejenigen, die an vorderster Front in der Wärmebranche aktiv sind – das SHK-Fachhandwerk also? Ein großes Thema ist ja die Verschmelzung von Elektronik, MSR-Technik und Hydraulik, und man wartet eigentlich auf ein neues Berufsbild, das die ganzen Integrationsaufgaben abdecken kann. Wie schaffen wir diesen Know-how-Transfer?

Møller-Jensen: Der Fachkräftemangel setzt momentan der ganzen Branche Grenzen. Zum einen gibt es schlichtweg nicht genug Hände, um alle Aufgaben zu erledigen. Zum anderen fehlen oftmals bereichsübergreifende Kompetenzen. Heating wird zu Cooling und alles wird verstromt – aber ein SHK-Installateur befasst sich in aller Regel nicht mit Elektrotechnik und der Elektriker wiederum hat keine Ahnung von Wärmesystemen. Hier übergreifendes Wissen zu verankern, wird eine Schlüsselaufgabe sein. Wir sehen uns dabei auch stark selbst in der Pflicht und tragen etwa mit unseren Webinaren viel dazu bei, entsprechende Kenntnisse zu vermitteln – aber hier sind auch andere verantwortliche Akteure gefragt.

Stichwort andere Akteure: Herr Møller-Jensen, 2021 steht ja die Bundestagswahl an. Welchen "Tipp" möchten Sie, mit Ihren Erfahrungen aus stolzen 42 Jahren bei Danfoss, der künftigen Bundesregierung geben?

Møller-Jensen: Wenn man einer Bundesregierung Ratschläge erteilt, liegt ja immer die Vermutung nahe, dass man nur das eigene Business befördern will. Ich habe aber dennoch zwei grundlegende Anliegen. Erstens: Die Politik darf niemals die Energieeffizienz aus den Augen verlieren, denn sie ist die Grundvoraussetzung für alles, was wir im Energiesektor vorhaben. Zweitens: Wir müssen das Ausbildungssystem für Handwerker im Energiebereich anpassen. Vor einigen Jahren saß ich in Berlin mit mehreren Ministern auf einem Podium zusammen, um das Thema Energiewende zu diskutieren – und ich fragte zur allgemeinen Überraschung: "Wo ist die Bildungsministerin?" Aber genau darum geht es: Wenn unser Bildungssystem die gestiegenen Anforderungen an das Fachhandwerk umfassend abdecken würde, dann wäre das ein erstklassiger Beitrag zur Energiewende.

Nun sind wir fast schon am Ende unseres Gespräches angelangt und ich erlaube mir zum Abschluss noch ein paar persönliche Fragen. Herr König, was für Wünsche haben Sie für 2021?

König: Aktuell wird unser aller Leben ja durch die Corona-Krise und die damit verbundenen Sorgen um Angehörige, Freunde und Kollegen bestimmt – und ich wünsche mir einfach nur, dass wir möglichst schnell für alle einen Impfstoff bekommen, damit wir wieder ein normales Leben führen und unsere Eltern und Kinder ohne Einschränkung sehen können.

Herr Møller-Jensen, Pläne für die ersten "100 Tage" im Ruhestand?

Møller-Jensen: Wir hatten wirklich sehr viele Pläne – und alles, was wir vorhatten, etwa meine Familie in Dänemark zu besuchen, musste aufgrund der Pandemie abgesagt oder verschoben werden. Das bedauere ich natürlich sehr, aber es gilt hier dasselbe wie in der Unternehmenswelt: Man muss sich an die Gegebenheiten anpassen – und das Ganze auch als Chance begreifen. Wir sind deshalb gerade dabei, uns Alternativen zu überlegen.

Als Finale ein kleiner Scherz: Herr Møller-Jensen, Herr König, bitte vervollständigen Sie jeweils diesen Satz. "Wenn ich eine Zeitmaschine bauen könnte, dann würde ich sie nutzen, um…"

Møller-Jensen: …beim ersten CO2-neutralen Flug dabei zu sein. In diesem Flieger würde ich gerne sitzen, das wäre ein schöner Abschluss einer langen energietechnischen Reise.

König: …ein paar Jahrzehnte zurückgehen und früher mit der Energiewende anfangen zu können. Die technischen Voraussetzungen wären natürlich andere gewesen – aber stellen Sie sich nur einmal vor, wie weit wir heute wären, wenn wir vor 20 Jahren begonnen hätten!

Ein Bild von Stefan König.
Quelle: Danfoss
"Wir brauchen vollvernetzte Wärmesysteme": Vom Energieerzeuger und der Leitstelle des Fernwärmeversorgers bis zu den Regelungskomponenten in den einzelnen Gebäuden und Haushalten sollte, laut Stefan König, alles intelligent miteinander kommunizieren

Herr Møller-Jensen, Herr König, vielen Dank für dieses sehr informative Gespräch!

Die Fragen stellte Jörg Gamperling, Chefredaktion HeizungsJournal und Integrale Planung

Von Jörg Gamperling
Chefredaktion HeizungsJournal
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