Nachhaltigkeit

Sponge Cities – Wassersensible und klimaangepasste Städte

Freitag, 27.08.2021

National wie international ist in den letzten Jahren ein anderer Umgang mit Regenwasser in Siedlungsgebieten zu beobachten. Während früher die „schnellstmögliche“ Ableitung über Kanalisationen im Vordergrund stand, wird heute zunehmend dezentrale Bewirtschaftung des Regenwassers angestrebt. Der Begriff „Sponge-City“ beschreibt diesen Ansatz sehr anschaulich. Wie ein Schwamm wird das Regenwasser bei Starkregen in den Städten gespeichert und dann in der nachfolgenden Trockenzeit langsam an die Umgebung abgegeben. Dies begünstigt eine erhöhte Verdunstung, was wiederum die Kühlung der Innenstädte unterstützt und damit einen Beitrag zur Klimafolgenanpassung liefert. Gleichzeitig werden Kanalisationssysteme entlastet und Gewässerbelastungen reduziert.

Foto: Beispiel begrünte Dächer für das Konzept der „Schwammstadt“, das sich mit vielen Maßnahmen realisieren lässt.
Quelle: Optigrün
Das Konzept der „Schwammstadt“ lässt sich mit vielen verschiedenen Maßnahmen realisieren – hierzu zählen zum Beispiel begrünte Dächer.

Die Dürren der vergangenen Jahre haben nicht nur in der Land- und Forstwirtschaft zu erheblichen Schäden geführt, auch in den Städten waren die Folgen an Stadtbäumen und Kleingewässern deutlich sichtbar. In weiten Teilen Deutschlands waren kleinere Weiher und auch kleinere Fließgewässer gegen Ende des Sommers ausgetrocknet, mit erheblichen Folgen für die gewässergebundene Flora und Fauna. Auch das Stadtgrün und – insbesondere Straßenbäume – leidet unter der Trockenheit. Gleichzeitig wurde bereits in einigen Städten die Bewässerung von Gärten oder die Entnahme aus Gewässern eingeschränkt oder sogar untersagt.

Andererseits sind auch die Starkregenereignisse der letzten Jahre noch gut in Erinnerung. In Berlin fielen beispielsweise am 29. Juni 2017 innerhalb weniger Stunden in Teilen der Stadt bis zu 200 mm Niederschlag. Die Folge waren überschwemmte Straßen und vollgelaufene Keller mit teils erheblichen Sachschäden. Auch im Sommer 2019 waren wieder viele Städte in Deutschland von Überflutungen durch Starkregenereignisse betroffen.

Die Klimaprognosen lassen erwarten, dass beide Arten von Extremereignissen – Trockenperioden und Starkregen – in Deutschland zukünftig verstärkt und häufiger auftreten werden. Beide Effekte stellen neue Herausforderungen für die Wasserwirtschaft dar – vor allem in Großstädten und Ballungsräumen.

Paradigmenwechsel im Gange

Vor diesem Hintergrund ist nicht nur in Deutschland, sondern auch international in den letzten Jahren ein anderer Umgang mit Regenwasser in Siedlungsgebieten zu beobachten. Während früher die „schnellstmögliche“ Ableitung über Kanalisationen im Vordergrund stand, wird heute zunehmend dezentrale Bewirtschaftung des Regenwassers angestrebt. Hauptgrund für diesen Paradigmenwechsel im Umgang mit dem Regenwasser ist die Reduzierung der Belastung unserer Gewässer.

Die früher praktizierte, weitgehende Ableitung von Niederschlagsabflüssen über Trenn- oder Mischsysteme hat zu unübersehbaren Problemen geführt. Zum einen werden durch technisch nicht beherrschbare Überläufe der Mischwasserkanalisation und durch die direkte Einleitung unbehandelter Niederschlagsabflüsse erhebliche Mengen an Schadstoffen in die Gewässer eingetragen. So kommt es beispielsweise in Berlin nach Regenfällen immer wieder zu Fischsterben in der Spree oder dem Landwehrkanal.

Zum anderen führt die schnelle Ableitung zu einer Verschärfung der Abflüsse bei Starkniederschlägen – bei gleichzeitiger Verringerung der Wasserstände in Trockenzeiten. So ist in Berlin dieser Effekt vor allem an den kleineren Gewässern wie der Panke oder der Wuhle sowie an vielen Teichen und Pfuhlen zu beobachten. Im Frühsommer 2017 und auch 2018 waren zahlreiche Gewässer in Berlin ausgetrocknet. Und dass es dann bei starken Niederschlägen zu Problemen kommt, haben die Ereignisse im Sommer 2017 nur zu deutlich gezeigt.

Dezentrale Regenwasserbewirtschaftung

Eine logische Konsequenz besteht darin, Niederschläge so weitgehend wie möglich vor Ort zu belassen und dem natürlichen Wasserhaushalt zuzuführen. Die Erhöhung der Verdunstung in Städten stellt dabei eine neue Zielsetzung für die Siedlungswasserwirtschaft dar. Die bisherige, vorrangig praktizierte Ableitung von Regenwasser würde dagegen die Effekte zusätzlich verschärfen und kann keine sinnvolle Antwort auf die Problematik sein. Auch der Bau von unterirdischen Speichern wie Stauraumkanälen oder Regenbecken löst das Problem nicht.

Die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung reduziert Gewässerbelastungen dagegen auf ein Minimum. Abflüsse werden verringert, zurückgehalten und gereinigt. Der in China gebräuchliche Begriff „Sponge-City“ beschreibt diesen Ansatz sehr anschaulich. Wie ein Schwamm wird das Regenwasser bei Starkregen in den Städten gespeichert und dann in der nachfolgenden Trockenzeit langsam an die Umgebung abgegeben. Dies begünstigt eine erhöhte Verdunstung, was wiederum die Kühlung der Innenstädte unterstützt und damit einen Beitrag zur Klimafolgenanpassung liefert.

Foto: Versickerungsmulde bei Krankenhaus im Bezirk Friedrichshain, Berlin.
Quelle: Ingenieurgesellschaft Prof. Dr. Sieker
Versickerungsmulde im Bereich des Krankenhauses im Berliner Bezirk Friedrichshain.
Foto: Dezentrale Regenwasserbewirtschaftung im Wohngebiet Rummelsburger Bucht, Berlin.
Quelle: Ingenieurgesellschaft Prof. Dr. Sieker
Dezentrale Regenwasserbewirtschaftung auf einem Privatgrundstück im Wohngebiet Rummelsburger Bucht in Berlin.

Vielfältiges Maßnahmenspektrum

Das Konzept der „Schwammstadt“ steht dabei nicht für ein einzelnes Verfahren, sondern für eine Vielzahl verschiedener Maßnahmen, die entsprechend den örtlichen Bedingungen und Anforderungen ausgewählt und ggf. auch kombiniert werden. Dabei geht es nicht nur um die Reduzierung der Abflüsse, sondern auch um die Reinigung – insbesondere von Straßenabflüssen –, die Verbesserung des Stadtklimas durch eine Erhöhung der Verdunstung sowie positive Effekte für die Biodiversität und die Aufenthaltsqualität im Freiraum.

Für eine dezentrale Bewirtschaftung der Regenabflüsse vor Ort stehen verschiedene technische Möglichkeiten zur Verfügung. So können etwa durch begrünte Dächer, versickerungsfähige Pflasterbeläge oder Regenwassernutzungsanlagen die Niederschlagsabflüsse schon bei der Entstehung reduziert werden. Nicht vermeidbare Abflüsse lassen sich durch Versickerungsanlagen dem Untergrund und damit dem lokalen Wasserhaushalt wieder zuführen. Ist der Untergrund nicht ausreichend versickerungsfähig, kommen Rückhaltesysteme wie die sogenannten Rigolen oder Mulden-Rigolen-Systeme zum Einsatz.

Neue Planungsanforderungen

Die Planung solcher Systeme stellt neue Anforderungen an gleich mehrere Fachdisziplinen:

▪ Wasserwirtschaftler müssen sich darauf einstellen, Regenwasserspeicher aller Art nicht mehr nur auf eine schnelle Entleerung auszulegen, sondern Langzeitspeicher zu konzeptionieren, die auch in Trockenzeiten noch Wasser bevorraten.

▪ Landschaftsplaner und -architekten sollten den Flächenbedarf von Regenwasseranlagen und die Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Wasservorrat möglichst frühzeitig in der Planung berücksichtigen. Gleichzeitig gehören Überflutungsnachweise inzwischen zum Standardleistungsbild der Freianlagenplanung.

▪ Architekten und TGA-Planer sind aufgefordert, eine oberirdische Zuleitung des Regenwassers in die Anlagen einzuplanen. Auch neue statische Anforderungen für begrünte Dächer und bautechnische Aspekte, etwa für die Steuerung von Regenwasseranlagen, können aus einem „Schwammstadt“-Konzept resultieren.

In Berlin gibt es mittlerweile zahlreiche Beispiele ausgeführter Regenwasserbewirtschaftungsanlagen. Bereits vor über 20 Jahren wurde in den großen Berliner Entwicklungsgebieten wie der Rummelsburger Bucht und Adlershof eine dezentrale Regenwasserbewirtschaftung praktiziert. Viele Gebäude verfügen hier über Gründächer und Versickerungsanlagen. Auf Regenwasserkanäle in den Straßen wurde verzichtet, stattdessen finden sich Versickerungsmulden und Mulden-Rigolen-Systeme. Auch auf zahlreichen Berliner Privat- und Gewerbegrundstücken wird Regenwasser vor Ort bewirtschaftet. Die Einsparung der Regenwassergebühr bzw. des Niederschlagswasserentgeltes, wie es in Berlin heißt, ist dabei ein guter Anreiz.

Abbildung: Zur Abflussreduzierung bei schlecht durchlässigen Böden kommen Mulden-Rigolen-Systeme zum Einsatz.
Quelle: Ingenieurgesellschaft Prof. Dr. Sieker
Zur Abflussreduzierung bei schlecht durchlässigen Böden kommen sogenannte Mulden-Rigolen-Systeme zum Einsatz.

Durchweg positive Erfahrungen

Die Erfahrungen mit dezentralen Systemen sind in Berlin durchweg positiv. Selbst bei den Extremniederschlägen Ende Juni 2017 haben die Anlagen beispielsweise in Adlershof sehr gut funktioniert. Eine wissenschaftliche Analyse älterer Versickerungsanlagen (Projekt LEIREV – Leistungsfähigkeit und Zustand langjährig betriebener dezentraler Regenwasserversickerungsanlagen) hat bestätigt, dass die Funktionsfähigkeit auch nach vielen Jahren noch gegeben ist. Die guten Erfahrungen mit unzähligen gebauten Anlagen in Deutschland haben dazu geführt, dass die Technologien der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung wie Versickerungsanlagen, Mulden-Rigolen-Systeme, Dachbegrünung oder Regenwassernutzungsanlagen inzwischen als Stand der Technik angesehen werden. Entsprechende Technische Regelwerke und Normen für Planung, Bau und Betrieb stehen zur Verfügung. Auch die gesetzlichen Grundlagen wurden geschaffen. Seit dem Jahr 2010 gibt das bundesweit geltende Wasserhaushaltsgesetz vor, Niederschlagsabflüsse möglichst zu versickern.

Das Berliner Abgeordnetenhaus hat im Juli 2017 beschlossen, die „Dezentrale Regenwasserbewirtschaftung als wirksamen Teil der Klimafolgenanpassung“ weiter voranzubringen. Der Beschluss sieht unter anderem vor, die Gebäude- und Grundstücksflächen, von denen Regenwasser direkt in die Mischwasserkanalisation eingeleitet wird, jährlich um ein Prozent zu reduzieren („abzukoppeln“) und neue Wohnquartiere bereits in der Planung an einem dezentralen Regenwassermanagement auszurichten. Mit diesem Beschluss hat das Abgeordnetenhaus noch einmal bekräftigt, dass der internationale Trend „weg von der schnellen Ableitung – hin zur Bewirtschaftung vor Ort“ auch für Berlin der richtige Weg ist. Denn insbesondere in schnell wachsenden Städten wie Berlin gibt es dazu keine vernünftige Alternative!

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