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Moderne Mikro-Häuser bieten mehr als optimierte Flächen

Freitag, 19.08.2022

Die Baubranche ist in der Lage, Lösungen zu bieten, um Gebäude zu errichten, die in punkto Ressourcenverbrauch, Komfort und Preis optimiert sind.

Das Bild zeigt das Haus.
Quelle: The Future House
Ein mobiles Musterhaus mit 33 m2 Wohnfläche der GC-Group GmbH.

Ein zentraler Beitrag von Architekten und Planern kann dabei darin liegen, intelligente, multifunktionale Räume aus regenerativen Materialien mit niedrigem Flächenbedarf und inklusive Eigenleistungen der Bauherren zu entwickeln. Das gelingt mit dem Konzept der Mikro-Häuser, im Englischen „Tiny Houses“.

Diese Häuser sind bewusst „klein“ ausgelegt. Sie entsprechen dem Ansatz der „Suffizienz“. Bei ihr soll der Überverbrauch von Ressourcen und Energie begrenzt sowie Genügsamkeit und Verhältnismäßigkeit im gesellschaftlichen Umfeld erzielt werden. Damit gehen beim Planen und Bauen unter anderem folgende Fragen einher: „Welche Flächengröße benötige ich wirklich zum Leben/Arbeiten?“, „Wie können Räume so gestaltet sein, dass sie möglichst flexibel sind?“, „Wie kann ich für weitgehende Emissionsfreiheit sorgen?“. Die Suffizienz kann ihre Wirkung aber erst im Einklang mit den beiden anderen Einflussgrößen für die Energie- und Ressourcenwende entfalten, nämlich der „Effizienz“ und der „Konsistenz“. Letztgenannte beschreibt den Übergang hin zu umweltverträglichen Technologien. Das gilt zum Beispiel für das Nutzen erneuerbarer Ressourcen beim Bauen sowie einem ebensolchen Energieeinsatz im Gebäudebetrieb. Auch das Denken und Handeln in geschlossenen Stoffkreisläufen ist Teil einer Konsistenzstrategie. Die „Effizienz“ möchte wiederum mit möglichst geringem Ressourceneinsatz möglichst viel erreichen – basierend auf der Tatsache, dass unsere globalen Ressourcen endlich sind. Im Bauen heißt das unter anderem, das Zusammenspiel von Gebäudehülle und Anlagentechnik zu optimieren. Wie all diese Überlegungen gemeistert werden können, zeigt das Beispiel „The Future House“.

Das Bild zeigt die Holzständer-Konstruktion.
Quelle: The Future House
Holz-Ständer-Konstruktion des ökologischen Niedrigenergiehauses.

Ökologisch und energieeffizient

Das Konzept des deutschen Start-up-Unternehmens GC-Group GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main bietet unter dem Namen „The Future House“ Mikro-Häuser an, die auf einer patentierten Wand- und Decken-Konstruktion basieren: Der Holzskelettrahmen ist mit maßgefertigten Holzfaserdämmblöcken und überlangen Holzschrauben im Sandwichverfahren verschraubt. Der Wärmedurchgangskoeffizient (U-Wert) entspricht mit 0,015 W/(m²K) dem eines ökologischen Niedrigenergiehauses. Es wird am jeweiligen Errichtungsort mit den gewünschten Modulen aufgebaut und lässt sich auch leicht um- oder abbauen sowie sortenrein zerlegen. Neben Holz als nachwachsendem Rohstoff setzt das Unternehmen mittel- und langfristig auf alternative, natürliche Rohstoffe wie beispielsweise Bambus oder Bagasse. Letzteres ist ein faseriges Nebenprodukt der Zuckerherstellung aus Zuckerrohr oder Zuckerhirse.

Dieser Kreislauf-Ansatz („Cradle to Cradle”) ist ein wesentlicher und wichtiger Bestandteil des Baukonzepts, das CO2-neutralen (Wohn-)Raum bietet. Es setzt dabei auf qualitätsvolle Lösungen, deren Kosten sich durch Eigenleistungen wesentlich reduzieren lassen. Inklusive Installation, Haustechnik und Innenausbau kostet ein schlüsselfertiges Haus (ohne Eigenleistung) weniger als 2.500 Euro pro m2 Wohnfläche. Der Bauherr bestimmt den zu erbringenden Eigenanteil selbst. Zudem kann er den Ausbau der Innenausstattung oder der Haustechnik auch schrittweise in Angriff nehmen. Durch diese „Muskelhypothek“ lassen sich die Kosten um bis zu 20 Prozent reduzieren, so dass sich auch Bauherren mit wenig Eigenkapital die eigenen vier Wände leisten können.

Das Bild zeigt das Wohnzimmer.
Quelle: The Future House
Großzügig wirkendes Wohnzimmer mit Küche.

Zeitlich auf den Punkt

„The Future House“ verfügt daneben über ein schlankes Fertigungskonzept mit minimalen Verwaltungskosten. Im Gegensatz zu klassischen Fertighausanbietern arbeitet die GC-Group ohne Produktionshallen, Fuhrpark, Autokräne und großen Mitarbeiterstamm. Die zum Bau eines Hauses benötigten Materialien werden direkt aus der Produktion „just in time“ als Bausatz zum Aufbauort geliefert. Geschäftsführer Romeo Gündling möchte dieses Kostenoptimierungspotential unmittelbar an seine Kunden weitergeben. Sie entscheiden dazu, ob sie das Ganze selbst aufbauen oder ob zwei Monteure von zertifizierten Lizenzpartnern der GC-Group innerhalb von maximal zwei Wochen die Gebäude-Module zusammenschrauben. Der Werkzeugbedarf beschränkt sich aufgrund der genormten Materialien und der einfachen Bauweise auf einen Akkuschrauber und eine Haushaltsleiter. So lässt sich eine zehn Meter lange Wand in zwei Stunden montieren. Als Fundament dienen, neben der Bodenplatte, auch Punkt- oder Streifenfundamente aus Betonfertigteilen.

Der Bauhausstil verleiht den Häusern im KfW-Effizienzhaus-Standard 40+ einerseits ein modernes Design mit einer klaren und schnörkellosen Architektur. Andererseits verbindet „The Future House“ mit dem „Bauhaus“ das Ziel, schöne, zweckmäßige und für alle zugängliche Objekte zu schaffen. Das heißt, es geht dabei um das Zusammenführen von Handwerk, Technik, Kunst und Industrie sowie die Auffassung, dass „schön“ ist, was funktioniert. („form follows function“).

Mit neuen Materialien realisierten die Bauhaus-Architekten einst die ersten industrialisierten Wohngebäude für sozial schwächere Menschen. Dies wirkt bei „The Future House“ nach. Zudem besteht dessen geometrische Grund-form aus der erneuerbaren Ressource Holz und kann individuell angepasst werden – sei es durch die Vergrößerung oder Verkleinerung der Nutzfläche oder den Wechsel des Standorts. Mit CIGS-Modulen lässt sich auch eine „aktive Fassade“ erzielen: Die dünnen und leichten Solarzellen (Photovoltaik, PV) besitzen einen röhrenförmigen Absorber. Sie versprechen eine Stromproduktion von rund 150 W/m2 PV-Fläche, unabhängig von der Ausrichtung/Himmelsrichtung.

Das Bild zeigt das Bad.
Quelle: The Future House
Innenansicht Bad.

Smarte Haustechnik

Die Kostenvorteile bei „The Future House“ sind nicht gleichbedeutend mit einer billigen Ausführung, denn die Innenausstattung ist flexibel und smart gestaltet. Für die Installation im mobilen Musterhaus zeichnet der Meisterbe-trieb Elektro Lutz aus Alzenau verantwortlich. Für die Gebäudeautomation kommt ein System von Gira nach KNX-Standard zum Einsatz, in das sich neben der Steuerung von Licht, Jalousie und Heizung viele weitere Anwen-dungen einbinden lassen. Dazu zählen beispielsweise Türkommunikation, Alarmanlagen, Audiosysteme und Lichtsysteme. So können Soundsysteme von Sonos oder Leuchten von Philips Hue integriert werden.

Die Basis für das vernetzte Zuhause ist der Feldbus, ein grünes Kabel, das zusätzlich zur herkömmlichen Stromleitung verlegt wird. Es verbindet die verschiedenen KNX-fähigen Elemente der Haustechnik miteinander. Ergänzt wird das Kabelsystem durch Sensoren, Empfangsgeräte und Bedienelemente wie Schalter, Smartphone und die Steuereinheit Gira G1. Ist alles installiert, können die smarten Geräte miteinander interagieren. Um einen sicheren Fern-zugriff zu gewährleisten, ist das Gira-KNX-System mit dem Modul Gira S1 und dem Sicherheitsstandard KNX Secure kombiniert. S1 kontrolliert, sozusagen als Türsteher, welche Daten von außen auf den Server und das KNX-System zugreifen. Die Kommunikation zwischen dem Sicherheitsmodul und dem Geräteportal läuft verschlüsselt ab. Zusätzlich ist die Verbindung mit sogenannten Zertifikaten abgesichert, die die Daten ausweisen. So erkennt Gira S1, welche Daten in ein Smart Home hereinkommen dürfen. Auf die gleiche Weise können beispielsweise auch die Verbindungen von Sprachassistenten, Smartphone und Fernwartung, Alarmsystem und Türsprechanlage geschützt werden.

Das Bild zeigt den Wandbereich.
Quelle: The Future House
Einklappbarer Wandbereich links – Zimmer tagsüber zum Arbeiten, nachts zum Schlafen nutzen.

Ausblick

Der Trend zu vernetzten Bauten dürfte zunehmen – nicht zuletzt wegen der veränderten Arbeitsbedingungen in der Corona-Krise. Home-Office gehört nun für viele Menschen zum Alltag. Dabei sind nicht nur digitale Tools und Services für die effektive Zusammenarbeit gefragt, sondern auch moderne Einrichtungstechnologien, die ein produktives und gesundes Umfeld schaffen. Ein Blick auf den Markt macht darüber hinaus deutlich: Die Angebote für Smart-Home-Lösungen wandeln sich mehr und mehr von Insellösungen zu ganzheitlich gedachten Konzepten für Neubauten und Sanierungen. Unter anderem Sensoren dienen dazu, auf Umgebungseinflüsse, wie Helligkeit, Temperatur und Luftfeuchtigkeit, passgenau reagieren zu können. Für die Technische Gebäudeausstattung und für größere Bauten von „The Future House“ werden Architekten und Planer hinzugezogen. Das Konzept lässt sich so den jeweils individuellen Anforderungen der Kundschaft anpassen. „The Future House“ vereint mehrere Trends in sich: Smart Building, Ökologie, gesundes Lebensumfeld, nachhaltige und flexible Modulbauweise. Das heißt, dass damit auch Nichtwohngebäude realisierbar sind. Ebenso ist das Flachdach vielseitig nutzbar, zum Beispiel als Terrasse oder PV-Fläche. Fachplaner werden durch die im Konzept mitgedachten Eigenleistungen also nicht obsolet. Die GC-Group plant, ihr Konzept in diesem Jahr bei dem von der Flut betroffenen Walddorf-Kindergarten in Schleiden (Hocheifel) umzusetzen.

Das Bild zeigt den Grundriss.
Quelle: The Future House
Möglicher Grundriss für ein eingeschossiges Mikro-Haus.

Fazit

Der Global Construction Report 2030 von PwC prognostiziert, dass die Baubranche bis 2030 um 85 Prozent wachsen wird. Sie ist und bleibt damit eine der größten Industrien weltweit. Dementsprechend trägt sie zum steigenden Bedarf an Ressourcen und der daraus resultierenden Knappheit wesentlicher Stoffe und Energieträger sowie zum Klimawandel bei: In Deutschland verbrauchen Gebäude laut Umweltbundesamt etwa 35 Prozent der gesamten Energie und verursachen dabei rund 30 Prozent aller CO2-Emissionen.

Der Gebäudebereich ist also ein Schlüsselsektor, um die für 2045 avisierte Treibhausgasneutralität zu erreichen. Dafür braucht es gravierende Veränderungen. Beim Planen, Bauen und Betreiben von Gebäuden spielen hierfür digitale Arbeitsmethoden – speziell Building Information Modeling –, „Vorfertigung“ und „Lean Construction“ eine wichtige Rolle. Seit August 2021 bietet die Richtlinie VDI/BV-BS 6208 einen Leitfaden zur Planung, Produktion und Montage von Gebäuden aus vorgefertigten Raummodulen. Wenn es die Baubranche mit dem Klimaschutz ernst meint, dürften künftig ein (vorab simulierter) optimierter Flächen- und Ressourceneinsatz in Kombination mit bedarfsabhängiger Technik und ebenso ganzheitlichen wie flexiblen Gebäude-/Quartierskonzepten zur gelebten und erlebbaren Umweltschonung und Nachhaltigkeit beitragen.

Das Bild zeigt einen Bau.
Quelle: The Future House
Ausführbarer zweigeschossiger Bau mit dem System von „The Future House“.

Galerie

  • Ein mobiles Musterhaus mit 33 m2 Wohnfläche der GC-Group GmbH.
  • Holz-Ständer-Konstruktion des ökologischen Niedrigenergiehauses.
  • Großzügig wirkendes Wohnzimmer mit Küche.
  • Innenansicht Bad.
  • Einklappbarer Wandbereich links – Zimmer tagsüber zum Arbeiten, nachts zum Schlafen nutzen.
  • Möglicher Grundriss für ein eingeschossiges Mikro-Haus.
  • Ausführbarer zweigeschossiger Bau mit dem System von „The Future House“.
Von Bettina Gehbauer-Schumacher
Smart Skript – Fachkommunikation für Architektur und Energie
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