BIM

Energieeffizienz und Klimakomfort durch integriertes Gebäudeautomationssystem

Mittwoch, 31.07.2019

Von außen ist auf den ersten Blick nicht erkennbar, was hinter dem "Siemens Campus Zug" wirklich steckt.

Das Neubauprojekt der Siemens AG zeigt, was smarte Gebäude heute in Bezug auf Nachhaltigkeit, Komfort, Sicherheit und Energieeffizienz leisten können. Dementsprechend wurden die Neubauten gemäß dem Nachhaltigkeitsstandard LEED zertifiziert: Für das Produktionsgebäude gab es Gold, für das Bürogebäude sogar Platin. Eine zentrale Rolle spielt dabei die intelligente Kombination der verschiedenen Gewerke im Rahmen einer integrierten Gebäudetechniklösung.

Der Siemens Campus in Zug von oben.
Quelle: Siemens
In den Neubauten auf dem "Siemens Campus Zug" werden der Energieverbrauch und die gesamte Gebäudetechnik über ein integriertes Gebäudeautomationssystem nachhaltig gesteuert.

Der Campus im schweizerischen Zug ist internationaler Hauptsitz der Siemens Division Building Technologies (BT). Er wurde auf einem 22.500 m² großen Campus-Areal völlig neu konzipiert und nach einer extrem kurzen Bauzeit von gerade einmal zwei Jahren im Dezember 2018 offiziell eingeweiht.

Den Kern des Projekts bilden das siebengeschossige Bürogebäude mit einer Hauptnutzfläche von rund 18.400 m² – zuzüglich 250 Stellplätzen in der Tiefgarage – und das dreigeschossige Produktions- und Forschungsgebäude mit einer hocheffizient genutzten Fläche von ebenfalls ca. 18.400 m². Zum Campus gehört außerdem ein bestehendes Büro- und Produktionsgebäude, dessen Modernisierung im Jahr 2021 geplant ist.

Nachhaltiges Gebäudeautomationssystem

Die intelligente Kombination von zukunftsweisenden Technologien macht aus dem Neubauprojekt echte "Smart Buildings". Besonderen Wert legten die Bauherren auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Das Bürogebäude erfüllt höchste Ansprüche gemäß dem internationalen LEED-Standard des US-amerikanischen Green Building Council, es erhielt eine Platin-Zertifizierung. Das Produktionsgebäude erfüllt die Kriterien für die Gold-Zertifizierung nach dem LEED-Standard, was für ein Werksgebäude außergewöhnlich ist. Anlieferung, Stickstofftanks und Abfallbehälter sind im Gebäude integriert, um die Geräuschbelastung für die angrenzende Wohnbebauung zu minimieren und ein architektonisch einheitliches Erscheinungsbild zu realisieren.

Die Voraussetzung für die Nachhaltigkeit der Campus-Gebäude schafft ein integriertes Gebäudeautomationssystem mit Energieoptimierung, das den Energieverbrauch und die gesamte Gebäudetechnik steuert. Mehr als 6.500 Datenpunkte im Büro- und 5.500 Datenpunkte im Produktionsgebäude sind angeschlossen. Die Lösung basiert auf der Gebäudemanagementplattform "Desigo CC". Als offene Plattform lassen sich dort über Standardprotokolle, etwa BACnet, KNX und etablierte IT-Standards, verschiedene Gewerke wie Heizung, Lüftung und Klima, Beleuchtung und Beschattung einbinden und zentral managen. Der übergreifende Ansatz ermöglicht es, den Status der Gewerke zu steuern, abzubilden, auszuwerten und Änderungen in Echtzeit umzusetzen. Eine einheitliche, übersichtliche Oberflächengestaltung gewährleistet dabei eine einfache Handhabung.

Konsequent bedarfsgeführt

Insbesondere bietet die Gebäudemanagementplattform hohe Flexibilität und ermöglicht damit als integrale Steuerung ein multimodales Energiekonzept. So werden unterschiedliche Technologien intelligent kombiniert, um Gebäude und Räume bedarfsgeführt und nachhaltig mit Strom, Licht, Beschattung, Frischwasser sowie Warm-, Kalt- und Frischluft zu versorgen und die richtige Temperatur und Luftfeuchtigkeit sowie angenehme Helligkeit herzustellen. Dabei lassen sich die Verbrauchsdaten beispielsweise von Strom, Wärme, Kälte und Wasser über Apps exakt dokumentieren, messen und anpassen.

Die konsequent bedarfsgeführte Regelung der Luftkonditionierung sowie der Wärme- und Kälteerzeugung optimiert nicht nur den Energiebedarf. Sie stellt auch höchsten Raumkomfort in allen Gebäudeteilen sicher. Dazu tragen zusätzlich auch hybride Kühl- und Heizpaneele sowie ein automatisierter, energiegeführter Sonnenschutz bei. Zudem sind LED-Lichtlösungen in die Gebäudeautomation integriert, die energetisch sinnvoll für ideale Lichtverhältnisse sorgen.

Die Workplace-App "Comfy" ermöglicht zudem die individuelle Optimierung der eigenen Arbeitsumgebung: Über eine intuitive Oberfläche können die Nutzer über ihr Smartphone Temperatur und Beleuchtung an ihrem Arbeitsplatz in Sekundenschnelle ändern, freie Besprechungsräume orten und buchen sowie Feedback zur Wartung übermitteln.

Der neue Campus nutzt darüber hinaus rund 1.500 m³ Regenwasser pro Jahr als Brauchwasser sowie das Wasser des nahegelegenen Zugersees. Dieses dient zur direkten Kühlung und unter Verwendung von energieeffizienten Wärmepumpen sogar als Wärmequelle. Fossile Brennstoffe verbrauchen die Campus-Gebäude zur Energieerzeugung nicht. Die Anlagen für Heizung, Lüftung und Klima sind mit Wärme- und Kälterückgewinnungssystemen ausgestattet. Selbst die Luftdruckanlagen in der Produktion sind mit einem Energierückgewinnungssystem für die Warmwasseraufbereitung ausgerüstet.

Produktionshalle von innen.
Quelle: Siemens
In dem nach LEED-Standard Gold-zertifizierten Produktionsgebäude sind 5.500 Datenpunkte an das Gebäudeautomationssystem angeschlossen.

Sicher im Betriebsalltag wie im Ereignisfall

Auch Brandschutz, Videoüberwachung und Einbruchschutz sind in die Gebäudemanagementplattform integriert. Den gesamten Komplex sichert das Brandmeldesystem "Sinteso" mit insgesamt rund 2.400 algorithmenbasierten Brandmeldern sowie vier Brandmeldezentralen. Das komplette Campusgelände wird zudem über ein Videosystem überwacht. Die Software "Siveillance VMS" liefert dabei jederzeit übersichtliche Informationen und ermöglicht so ein schnelles und zielgerichtetes Handeln im Ereignisfall.

Das Zutrittsmanagement für rund 200 Schließ- und Kontrollpunkte übernimmt das "Siport"-Zutrittskontrollsystem. Mit dieser modularen Lösung können Personen- und Gebäudedaten in Echtzeit verwaltet werden. Die Kombination von Zutrittskontrolle und "Desigo CC" ermöglicht zudem eine bedarfsgerechte Raumsteuerung. Das heißt konkret: Die Luftkonditionierung eines Bürobereichs oder Besprechungsraums lässt sich in Abhängigkeit davon regeln, wie viele Menschen sich darin aufhalten. Außerdem können die flexibel genutzten Räume per digitaler Anzeige in Echtzeit beschriftet werden.

Building Information Modeling in der Praxis

Der Campus ist eines der ersten Neubauprojekte des Konzerns, bei dem Building Information Modeling (BIM) zum Einsatz kam. Mit BIM wird das gesamte Gebäude als digitaler Zwilling – "Digital Twin" – datenbasiert geplant, erstellt und betrieben. Die Planung erfolgt dabei für alle Gewerke parallel und wird im virtuellen Digitalmodell simuliert, getestet und bei Bedarf optimiert. Der Bau des Gebäudes findet also gemäß der "Build twice"-Methode quasi zweimal statt: zunächst virtuell auf dem Computer und erst dann physisch. So können mögliche Kollisionen der Gewerke identifiziert und Unstimmigkeiten einfach am Modell behoben werden, anstatt mühevoll und kostenintensiv auf der Baustelle oder gar im laufenden Betrieb. Die parallele Planung der verschiedenen Gewerke ermöglicht zudem gewerkeübergreifende, koordinierte Lösungen, die in der bisherigen Vergabepraxis nur selten realisierbar waren.

Nicht zuletzt werden Gebäude mit BIM digital les- und interpretierbar. Durch die virtuelle Planung und die Nutzung eines gemeinsamen Datenmodells lassen sich detaillierte Varianten in einer frühen Phase zur Optimierung des Gebäudes prüfen. Ganz konkret sind damit messbare Vorteile bei Qualität, Zeit und Kosten verbunden.

Eine Sitzgruppe um drei kleine Tische.
Quelle: Siemens
Auf der Gebäudemanagementplattform "Desigo CC" lassen sich verschiedene Gewerke wie Heizung, Lüftung und Klima, Beleuchtung und Beschattung einbinden und zentral managen.

Raum für Kreativität und Innovation

Als Zukunftslabor versteht sich der neue "Siemens Campus Zug" aber nicht nur hinsichtlich BIM und gebäudetechnischer Ausstattung. Die räumliche Nähe von Entwicklungsabteilungen und Produktion bietet optimale Bedingungen für Innovationen. So können beispielsweise praktische Tests und Kleinserien von neuesten Prototypen unkompliziert durchgeführt werden. Und im neuen Bürogebäude lädt eine als anregender "Co-Working-Space" gestaltete Innovationsfläche Mitarbeiter und Teams zum kreativen Austausch ein. Auf diese Weise können noch besser neue Ideen entstehen – für smarte Gebäude und Infrastrukturen von morgen und übermorgen.

Eine offene Bürofläche.
Quelle: Siemens
Der Campus ist eines der ersten Neubauprojekte des Konzerns, bei dem Building Information Modeling (BIM) zum Einsatz kam.

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