Nachhaltigkeit

Die grüne Klimaanlage

Dienstag, 02.08.2022

Mehr Grün in unseren Städten könnte das urbane Klima erheblich verbessern, Hitzebildung reduzieren, und mehr Wasser absorbieren.

Das Bild zeigt das Haus.
Quelle: Genath
Grassodenhaus, Island. Für den Hausbau des Inselstaats im Nordatlantik wurden im 18. Jahrhundert in den Moorkolonien gestochene Grassoden (Grasnarbenstücke) und Torfstücke gestapelt, getrocknet und als Füllmaterial für die Holzfachwerke der Häuser verwendet sowie als Dachmaterial. Die Beweidung war normal.

Darüber hinaus sind Pflanzen natürliche Klimaanlagen. Einige Antworten auf verschiedene Fragen zu dem Komplex gab eine Ausstellung im Düsseldorfer Bürgerpark im Spätsommer 2021.

Die allererste Frage: Warum Grün? Grüne Oasen, egal welcher Größe, sind für die Lebensqualität in Städten von eminenter Bedeutung. Kühle Luft der Umgebung gelangt nicht bis in die hochverdichteten Innenstadtbereiche, wodurch ein Wärmeinseleffekt auftritt.

Mit einer Fassadenbegrünung, einem Gründach und natürlich auch mit einem begrünten Vorgarten oder Innenhof profitiert die Umgebung von der Verdunstungskühle der Pflanzen und die Vegetation unterstützt dabei, den Hitzesommer unbeschadet zu überstehen. Gefühlt wird es in der Nähe von Pflanzen oder unter Bäumen zu bis 10 °C kühler.

Intensiv und extensiv

Wo gibt es noch Platz für Grün in unseren Innenstädten? Hier: Hausfassaden, Dächer, Balkone und manch steinerner Hinterhof sind unsere letzten Grünreserven. In Deutschland werden diese Flächen bislang viel zu wenig genutzt, insbesondere die Möglichkeiten begrünter Fassaden.

Die Ausstellung „Einfach grün“ spannte den Bogen von spektakulären Beispielen weltweit bis zu Vorschlägen für das Standard-Einfamilienhaus – Vorschläge sowohl für Neubauten als auch für den Bestand. Sie informierte über die energetischen Einsparungen durch Fassadengärten, über ökologische Auswirkungen auf das Stadtklima, zu finanziellen Förderungen, zur Pflanzenauswahl. Und darüber, dass die Wasser- und Abwassergebühren durch begrünte Gebäudeflächen erheblich sinken.

Beeindruckend, die weltweit realisierten Grüngebäude: von Düsseldorf (Kö-Bogen II) über Mailand (Bosco Verticale) bis Vietnam (Urban Farming Office). Viele dieser Lösungen bewegen sich auf einem Hightech-Level, bei anderen überrascht die nachhaltige Wirkung geschickter Low-Level-Ausführungen. Die Gebäudeflächen teilen sich die intensive und die extensive Begrünung.

Extensiv: Die Bepflanzung beschränkt sich auf eine Höhe von 8 – 15 cm, die Last auf 80-170 kg/m2. Die Vegetation verträgt Trockenheit und ein geringes Nährstoffangebot. Das Substrat, das den Boden bildet, hat einen nur geringen Humusanteil. Für Flach- und Schrägdächer.

Leistungen der Begrünung

Intensiv: Pflanzen wie im ebenerdigen Garten. Die Gründachaufbauhöhe reicht bis 25 cm. Last 300 kg/m2 und mehr. Pflegebedürftig. Eine intensive Dachbegrünung trägt wegen ihrer weitaus höheren klimatischen Wirkung im Ver-gleich zur extensiven deutlich mehr zur (vorbeugenden) Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Temperaturerhöhung) bei. Ausschließlich für Flachdächer.

Was kann die Dachbegrünung klimatisch für Gebäude und Umwelt leisten? Die positiven Effekte bestehen in Wasserrückhalt und Verdunstung. Die Verdunstung wiederum generiert Kühleffekte und Luftbefeuchtung. Die Pflanzendecke fungiert als natürliche Wärmedämmung und schützt vor Kälte und Hitze.

Wieviel Wasser benötigen eine Dach- und eine Fassadenbegrünung? Die Extensiv-Bepflanzung erhält sich bei nor-malen Witterungsverhältnissen selbst. Voraussetzung ist, dass unter den Pflanzen ein Systemaufbau mit Drainageelementen liegt, der Wasser speichert und es im Bedarfsfall durch Diffusion an das darüber liegende Substrat abgibt. Eine extensive Dachbegrünung verbraucht im Sommer etwa 2-4 l/m2 Tag, eine intensive Dach- oder wand-gebundene Fassadenbegrünung benötigt etwa 4-8 l/m2 Tag. Sie erfordert ein Bewässerungssystem.

Was tragen die Fassaden- und die Dachgärten zum Schallschutz bei? Die Literatur sagt, sie mindern nach außen die Schallreflexion bis 3 dB(A) und verbessern die Schalldämmung zum Inneren des Gebäudes bis 8 dB. !PAGEBREAK()PAGEBREAK!

Das Bild zeigt die Türme.
Quelle: Genath
Bosco Verticale, Mailand, Italien. Die grünen Zwillingstürme sind 80 und 110 m hoch und mit mehreren Tausend Bäumen und Sträuchern bepflanzt, die durch ein Bewässerungssystem mit Nutzwasser der Hausbewohner versorgt werden.

Direkte und indirekte Förderung

Was wird wie gefördert? Kommunen unterstützen direkt und indirekt. Indirekt beteiligen sie sich finanziell an Begrünungsmaßnahmen durch Senkung der Abwasserkosten. Die Gebühren für die Einleitung des Regenwassers richten sich nach dem Versiegelungsgrad auf dem Grundstück. Gründächer leisten keinen oder nur einen geringen Beitrag zum Abfluss des Niederschlags, folglich fließen sie nur anteilig in die Bemessung der Abwassergebühren ein. Bei intensiven Dachbegrünungen beträgt der Wasserrückhalt je nach Bepflanzung bis 99 % bei einer Speicherfähigkeit bis 160 l/m2. Extensive Substrate halten zwischen 75 – 90 % des Niederschlags fest.

Darüber hinaus bezuschussen Städte und Gemeinden auch direkt. Düsseldorf zum Beispiel ist eine Verbesserung des Wohn- und Stadtklimas 40 Euro/m2 wert, maximal 50 % der tatsächlichen Ausgaben. Das Förderprogramm bezieht sich ausschließlich auf Begrünungsmaßnahmen im Bestand und richtet sich an private Eigentümer sowie an Klein- und Mittelstandsbetriebe. Sie, die Begrünungsmaßnahmen am Neubau, erfassen in der Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens seit Juni 2020 die Bebauungspläne, wie in anderen in- und ausländischen Städten auch. Sobald eine Obergrenze von 0,6 GRZ und 1,6 GFZ überschritten wird, müssen in der Stadt am Rhein Flachdächer intensiv bepflanzt werden. GRZ gibt den Flächenanteil eines Grundstücks an, der überbaut werden darf, GFZ das Verhältnis der Summe der Geschossflächen zur Grundstücksfläche.

Wien und Paris

In Wien gilt seit 2018 eine ähnliche Bestimmung für Gebäudehöhen von 7,5 bis 26 m. Bei solchen Objekten muss es mindestens auf ein Fünftel der Außenflächen grünen. In Paris, ein drittes Beispiel, unterzeichneten auf Betreiben von Bürgermeisterin Anne Hidalgo private Bauherren, Unternehmen und die Stadt selbst die „Objectif 100 ha“, eine Verpflichtung, im größeren Stil Grünflächen an und auf Objekten zu realisieren.

Das Deutsche Architekturmuseum DAM in Frankfurt hat die Ausstellung 2020 konzipiert und mit Unterstützung des Museums der Baukultur Nordrhein-Westfalen sowie in Kooperation mit der Stadt Düsseldorf, dem BLB Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW und ingenhoven architects gestaltet. Ingenhoven hat das derzeit größte begrünte Gebäude Europas, den Kö-Bogen II, entworfen. Das Begrünungskonzept von Kö-Bogen II hatten die Firmen Jakob Leonhardts Söhne GmbH, Wuppertal, und Benning Dachbegrünung, Münster, umgesetzt.

Die Ausstellung „Einfach grün. Greening the City“ wollte Architekten, Stadtentwicklern, TGA-Planern und Anlagenbauern Anregungen geben beziehungsweise sie in eine Denkrichtung stoßen, die mit dem Klimawandel mehr und mehr Relevanz erhält. Wie das Stadt- und Innenraumklima ohne Energieaufwand erträglich machen? Die momentanen Fakten stehen sich ja gegenläufig gegenüber: Einerseits steigt der Energiebedarf. Denn um dem sich abzeichnenden Klimawandel mit einer Temperaturerhöhung von bereits 1,2 °C zu begegnen, bedarf es zukünftig im Haus zur Heizenergie sehr viel mehr Kühlenergie.

Wassermanagement eine der Aufgaben

Nun lässt sich demgegenüber der Klimawandel nur mit einer Reduzierung des Energieverbrauchs einbremsen. Ausschließlich dick gedämmte Büro- und Geschäftshäuser genügen indes nicht mehr den Ansprüchen. Sie sorgen nicht für eine passable Luft in den Einkaufszentren, fungieren nicht als Verschattungselemente im erweiterten Sinn, also Elemente zur Luftkonditionierung, die das Stadtklima aufenthaltstauglich machen. Diese Aufgabe übernimmt die Bepflanzung.

Welche Lösungen bieten sich für eine Innen- und Außenluftkonditionierung ohne Energieverbrauch an? Wie be-rechnet sich der Wärmebedarf bei bepflanzten Flachdächern und begrünten Fassaden? Welche Raumtemperaturen gelten? Wie sieht die Be- und Entwässerung aus, also das Wassermanagement? Mit diesen komplexen Fragen wird sich auch das SHK-Gewerk beschäftigen müssen.

Von Bernd Genath
Düsseldorf
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