BIM

3D-Druck – bald auf jeder Baustelle?

Freitag, 20.08.2021

Zu den technischen Treibern der Digitalisierung und der zunehmenden Industrialisierung von Planung, Bau und Dienstleistungen gehört der 3D-Druck. Mit ihm werden Modelle und Sonderteile angefertigt – inzwischen auch ganze Bauwerke. Er stellt grundsätzlich eine Möglichkeit dar, individuell gestaltete Elemente wirtschaftlich herzustellen. Dafür können entsprechende Daten direkt verwendet werden, zum Beispiel wenn sie aus dem zentralen Koordinationsmodell beim Building Information Modeling (BIM) stammen. Eine schichtweise Fertigung sorgt anschließend für eine Konstruktion mit minimiertem Materialeinsatz.

Foto: 3D-Druck am Bau in Wallenhausen: Für die Bedienung sind insgesamt zwei Personen notwendig. Das eingesetzte Material „i.tech 3D“ entwickelte HeidelbergCement speziell für den 3D-Druck.
Quelle: Peri GmbH
3D-Druck am Bau in Wallenhausen: Für die Bedienung sind insgesamt zwei Personen notwendig; der Druckkopf und die Druckergebnisse werden per Kamera überwacht. Das eingesetzte Material „i.tech 3D“ entwickelte HeidelbergCement speziell für den 3D-Druck.

Ein digitales Modell wird durch die additive Fertigung eines 3D-Druckers zu einem gegenständlichen Objekt. Das ist eine grundlegend andere Art der Produktion als die herkömmliche subtraktive Bearbeitung (CNC Fräsen und Drehen, Stanzen) oder der formgebende Spritzguss. Für den 3D-Druck sind keine speziellen Werkzeuge oder Formen nötig, sondern das zu druckende Teil wird direkt erzeugt: Die Druckersoftware unterteilt das digitale 3D-Modell zunächst in zweidimensionale Schichten. Diese werden dann in Steuerungsdaten übersetzt und an den Drucker weitergeleitet. Je nach Material variiert die Herstellung. Ein Laser kann dünne Schichten aus Metall- oder Kunststoffpulvern schmelzen oder sintern, eine Düse Beton auftragen. In der Regel erfordern 3D-gedruckte Teile eine Nachbearbeitung wie Entgraten, Schleifen oder Strahlen, um eine bestimmte Oberflächengüte zu erzielen.

Vorteile und Einschränkungen

Der 3D-Druck erlaubt eine einfache, zügige Herstellung komplexer Formen, die nicht ohne Weiteres mit anderen Herstellungsverfahren produziert werden können. Die additive Fertigung führt dazu, dass individuelle, ressourcenschonende Lösungen realisierbar sind, mit denen keine erhöhten Kosten einhergehen müssen. Diese hängen im Wesentlichen von der Menge des verwendeten Materials, der Druckzeit und dem gegebenenfalls gewünschten Nachbehandeln der Oberflächen ab.

Im 3D-Druck können vielfältige Materialien eingesetzt werden, die sich für jeweils spezifische Anwendungen eignen. Zudem testen Universitäten weltweit, wie Beton oder andere Mischmaterialien in der richtigen Zeit aushärten, um die nächsten Schichten des Drucks tragen zu können. Ein Forschungsschwerpunkt liegt auch auf recycelten und recyclingfähigen Baustoffen.

Sobald Faktoren wie hohe Stückzahlen oder anspruchsvolle Materialeigenschaften gefragt sind, können herkömmliche Fertigungsmethoden dem 3D-Druck überlegen sein. Denn der schichtweise Aufbau der Teile kann dazu führen, dass ein Produkt in einer Richtung schwächer oder spröder ausfällt. Seine Genauigkeit hängt vom Prozess und der Kalibrierung der Druckmaschine ab.

Fokus Baubarkeit

CAD-Softwares zum Entwerfen von Elementen für den 3D-Druck sind unter anderem „SolidWorks“, „Rhinoceros“, „Autodesk Fusion 360“ und „Onshape“. Der Druck mit Beton (Contour crafting) kann dann Teile unmittelbar in transportablen Größen samt benötigten Anschlusslöchern erzeugen: Wände als Zweischeibenkonstruktion mit Versteifungen, später wird Dämmstoff eingefüllt und das Gebäude zusammengesetzt.

Dementsprechend wird Contour crafting im Fertigteilbau bereits mit Erfolg angewendet, zumal sich so die Zeit von der Projektierung bis zur Herstellung durchschnittlich um den Faktor zehn reduzieren lässt. Beim 3D-Druck ist die chinesische Baufirma Win Sun etabliert. Sie druckt seit Mitte der 2010er-Jahre einzelne Architekturteile und fügt sie zusammen. Nach diesem Prinzip sind bereits mehrstöckige Wohnhäuser und individuelle Luxusvillen entstanden, ebenso das weltweit erste voll funktionsfähige 3D-gedruckte Bürogebäude in Dubai.

Der 3D-Druck mit Beton kommt vor allem für Spezialanfertigungen zum Einsatz, bei denen eine Schalung zu teuer oder nicht machbar ist. Vorteile sind in der Regel gleiche Kosten bei der Hälfte der sonst üblichen Arbeit und Vorlaufzeit. Mobile 3D-Druckroboter können am jeweiligen Gebäudestandort drucken und von ein bis zwei Personen überwacht werden. Der 3D-Druck ermöglicht zudem individualisierte Fertigungen mit einem Höchstmaß an Gestaltungsfreiheit.

Ein parametrisches Design hilft, Modelle oder Konstruktionen automatisch basierend auf Größe, Materialstärke oder Geometrie zu generieren. Ideal ist, wenn der Drucker sie endlos variieren kann. Dann lassen sich zum Beispiel Elemente einer Brücke verschieden formen. Weitere Pluspunkte sind: Ressourcen schonen und Abfall vermeiden. Denn der Drucker trägt ohne Schalung nur dort Material auf, wo es die Tragfähigkeit erfordert.

Foto: Das erste fertig gedruckte Wohnhaus in Deutschland im westfälischen Beckum - ein zweigeschossiges Einfamilienhaus mit rund 80 m² Wohnfläche pro Geschoss. Das 3D-Betondruck-Projekt wurde über das Programm „Innovatives Bauen“ vom Land Nordrhein-Westfalen gefördert.
Quelle: Peri GmbH
Das erste fertig gedruckte Wohnhaus in Deutschland steht im westfälischen Beckum: Ein zweigeschossiges Einfamilienhaus mit rund 80 m2 Wohnfläche pro Geschoss. Das 3D-Betondruck-Projekt wurde über das Programm „Innovatives Bauen“ vom Land Nordrhein-Westfalen gefördert.
Foto: Der 3D-Konstruktionsdrucker „BOD2“ von Cobod druckt mit einer Maximalgeschwindigkeit von 1 m/s. Im Peri-Projekt in Wallenhausen kommt er mit den Abmessungen 12,5 x 20 x 7,5 m zum Einsatz.
Quelle: Peri GmbH
Der 3D-Konstruktionsdrucker „BOD2“ von Cobod druckt mit einer Maximalgeschwindigkeit von 1 m/s. Er ist damit aktuell der schnellste 3D-Betondrucker auf dem Markt. Im Peri-Projekt in Wallenhausen kommt er mit den Abmessungen 12,5 x 20 x 7,5 m zum Einsatz.

Erstes gedrucktes Mehrfamilienhaus Deutschlands

Unmittelbar nach einem zweistöckigen, 3D-gedruckten Gebäude im westfälischen Beckum (Abb. 2) startete die Peri GmbH im November 2020 mit dem 3D-Druck eines voll unterkellerten, dreistöckigen 5-Familienhauses mit einer Wohnfläche von 380 m2 im bayerischen Wallenhausen (Abb. 1 und 3). Der Rohbau aus Beton wird mit dem Konstruktionsdrucker „BOD2“ des Herstellers Cobod erstellt. Der Druckbereich des Portalroboters kann mit Modulen von 2,5 m in alle Richtungen abgewandelt werden. Das Haus in Wallenhausen ist das zweite Gebäude aus einem 3D-Drucker in Deutschland und das größte gedruckte Mehrfamilienhaus Europas. Kamp C hatte zuvor Europas erstes 3D-gedrucktes, zweistöckiges Bauwerk in Belgien enthüllt.

Der Druckkopf des „BOD2“ bewegt sich über drei Achsen auf einem fest installierten Metallrahmen. So kann er an jede Position innerhalb der Konstruktion gelangen und muss nur einmal kalibriert werden. Das spart Zeit und Kosten. Auch werden nur zwei Personen für seine Bedienung benötigt. Der 3D-Druck erfolgt mit einer maximalen Geschwindigkeit von 1 m/s. Das heißt, für einen Quadratmeter einer doppelschaligen Wand werden rund fünf Minuten benötigt. Der Drucker ist so zertifiziert, dass während seiner Aktivität im Druckraum gearbeitet werden kann. Manuelle Tätigkeiten, wie das Verlegen von Leerrohren und Anschlüssen, lassen sich dadurch integrieren.

Die Rohbauten in Beckum und Wallenhausen sind derzeit noch für Nachfolgegewerke eingerüstet. In Bayern werden vier der Wohnungen nach Fertigstellung vermietet, eine dient als Muster. Der Bau soll die Wettbewerbsfähigkeit der 3D-Konstruktionsdrucktechnologie für mehrstöckige Gebäude und große Wohneinheiten unter Beweis stellen: So entstehen neue Märkte, die die Beteiligten erschließen wollen. Das gilt auch für den Bauherrn, die Michael Rupp Bauunternehmung GmbH. Sie spezialisiert sich mit ihrem Tochterunternehmen Rupp Gebäudedruck ab 2021 auf den 3D-Bereich.

Foto: Schweißroboter bei der TU Darmstadt - Ziel: Eine 3D-gedruckte Brücke aus Stahl über fließendem Wasser.
Quelle: Claus Völker/TU Darmstadt
Schweißroboter bei der Arbeit. Das Ziel der TU Darmstadt: Eine 3D-gedruckte Brücke aus Stahl über fließendem Wasser.

Weitere Pilotprojekte

Die oben beschriebenen Projekte erfassen nur einen Teil möglicher Anwendungen des 3D-Drucks beim Bauen. Innovationen auf diesem Gebiet sind vielfältig. So wurde die Lithium Designers GmbH (Lithium) mit dem zweiten Platz des Frankfurter Gründerpreises 2020 ausgezeichnet. Ihre 3D-gedruckten Fassadenknoten finden im Projekt „HivE“ Verwendung. Deutschland- und weltweit haben hier 3D-gedruckte Knoten nach der Li3-Methode Premiere. Sie stellt einen parametrischen Planungsansatz von Lithium für komplexe Gebäudehüllen dar und kann sämtliche Planungsphasen vollautomatisiert und skalierbar abdecken. Die Freiform-Fassade bei „HivE“ setzt sich aus einem Standard-Pfosten-Riegel-System und 138 von Lithium generierten Verbindungselementen zusammen. Die additive Fertigung der topologieoptimierten Fassadenknoten übernimmt die Firma H+B Hightech GmbH.

Am 15. Januar 2019 eröffneten BAM Infra und Saint-Gobain Weber Beamix Europas ersten industriellen Produktionsstandort für den 3D-Druck von Betonelementen für den Bau. In Eindhoven können so verschiedene Teile praxistauglich gedruckt werden. Der nächste Schritt ist, unter anderem gemeinsam mit der Gemeinde Eindhoven und der dortigen Technischen Universität nacheinander fünf skulpturale, bewohnbare Häuser direkt aus dem 3D-Beton-Drucker zu generieren.

Das Projekt „Milestone“ entsteht im Neubaugebiet Meerhoven. Für den Druck wurde ein Mörtel entwickelt, der spezifische thixotrope Eigenschaften besitzt: Wird ihm durch Mischen oder Pumpen Energie zugeführt, verringert sich die Viskosität und es entsteht eine flüssige Masse. In Ruhe wird der Mörtel steif und kann Last tragen (Festigkeitsklasse C55-67). Jede Schicht wird ein wenig in die Vorherige eingetragen, sodass aufeinander folgende Schichten ein monolithisches Ganzes bilden.

In Gemert, Brabant, wurde im Oktober 2017 die erste gedruckte 3D-Betonbrücke der Welt installiert. Im Forschungsprojekt „AM Bridge 2019“ der TU Darmstadt war eine 3D-gedruckte Brücke aus Stahl das Ziel (Abb. 4). Ihre Besonderheit: Sie lässt sich als Ganzes vor Ort, über Wasser und im Schrägen drucken. Die weltweit erste Brücke ihrer Art gelang mit einem Verfahren, bei dem Schweißpunkte in beliebiger Größe hergestellt und präzise reproduziert werden können. Jeder der Punkte bekommt ausreichend Zeit, abzukühlen und fest zu werden. Das „Wire + Arc Additive Manufacturing“ ähnelt Metallschutzgasschweißen und eignet sich insbesondere für den Stahlbau. Der Schweißdraht dient als Druckmaterial. Bei allen bisherigen Projekten wurden Brückenelemente in Fertigungshallen produziert, zusammengesetzt und anschließend zum eigentlichen Standort gebracht.

Abbildung: Eine zukünftige Mondbasis könnte durch einen roboterbetriebenen 3D-Drucker (rechts) mit einer Schutzhülle aus lokalen Materialien versehen werden.
Quelle: ESA/Foster + Partners
Eine zukünftige Mondbasis könnte durch einen roboterbetriebenen 3D-Drucker (rechts) mit einer Schutzhülle aus lokalen Materialien versehen werden. Industriepartner, darunter das Architekturbüro Foster + Partners, testen mit der ESA die Machbarkeit.

Ausblick

Auch für ein Bauen an entlegenen oder für den Menschen gefährlichen Orten ist der 3D-Druck eine attraktive Option: Bei zukünftigen Mond-Missionen gilt es, so wenig Material wie möglich von der Erde zu starten. Stattdessen sollen lunare Ressourcen genutzt werden. Deshalb plant die European Space Agency (ESA), dort Roboter einzusetzen, die benötigte Teile aus Mondstaub errichten (Abb. 5). Ähnliche Ansätze verfolgen auch weitere Raumfahrtorganisationen: So schrieb die NASA mit der Bradley University und Sponsoren die „3D-Printed Habitat Challenge“ aus, um nachhaltige Schutzhütten aus den auf dem Mond oder dem Mars vor Ort verfügbaren Ressourcen zu gestalten. Der 2019 abgeschlossene Wettbewerb wurde mit insgesamt 2.061.023 US-Dollar dotiert.

Im Zusammenspiel mit weiteren Treibern der Digitalisierung kann der 3D-Druck dazu beitragen, Baustellen zielgerichtet für das 21. Jahrhundert fit zu machen. Hierum geht es auch in dem vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt „ESKIMO“ (Entwicklung von Systembausteinen der Künstlichen Intelligenz für eine digitale mobile Wertschöpfungskette für die Bauausführung): In seinem Mittelpunkt stehen die Qualitätssicherung technischer Art, kaufmännische Aspekte sowie das Anwenden aktueller Algorithmik in der Logistik. Praxispartner sind die Bauunternehmung Karl Gemünden GmbH & Co. KG und die Ed. Züblin AG.

Fazit

Der 3D-Druck ist gegenwärtig eine der spannendsten Technologien im Bauwesen. Entwicklungen wie diese bergen ein großes Potential, die Wertschöpfung zu erhöhen, wie beispielsweise die Studie „Reinventing Construction: A Route To Higher Productivity“ des McKinsey Global Institutes (MGI) bereits 2017 zeigte: Während die deutsche Gesamtwirtschaft seit 1995 um jährlich 1,32 Prozent produktiver wurde, verzeichnete die Baubranche ein jährliches Wachstum von 0,26 Prozent. Positive Effekte um das Fünf- bis Zehnfache könnten Verfahren mit mehr Standardisierung, Modularisierung und Vorfertigung bringen. Der 3D-Druck kann zusätzlich dazu individuell geformte Teile wirtschaftlich und ressourcenschonend herstellen. Entscheidend ist stets, mit was sich die jeweils projektspezifischen Ansprüche optimal lösen lassen.

Bei den meisten gedruckten Gebäuden handelt es sich vielfach noch um Pavillons oder Prototypen. Sie bestehen zum Großteil aus Beton, können aber auch aus anderen Werkstoffen gefertigt sein (Kunststoff, Stahl, Lehm). Die Digitalisierung und eine integrale, datenbasierte Herangehensweise wie BIM verstärken die rasante Weiterentwicklung des 3D-Drucks: Zum Schluss genügt ein Mausklick am PC, damit die erstellten Daten in den 3D-Drucker fließen und die Produktion beginnt. Das führt auch dazu, dass weniger Zeit und Personal auf der Baustelle benötigt wird. So leisten Automatisierung und Robotik ihren Beitrag, um schneller, sicherer, nachhaltiger und individueller zu arbeiten. Darüber hinaus machen sie das Bauwesen für junge Menschen („Digital Natives“) und Start-ups attraktiv.

Von Bettina Gehbauer-Schumacher
Smart Skript – Fachkommunikation für Architektur und Energie
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