Nachhaltigkeit

Klimaschutz und die Schlüsselrolle von Quartieren

Dienstag, 23.08.2022

Große Potentiale in der Quartiersplanung

Der Blick auf den Bestand macht auch deutlich, warum die Denkweise weg vom Gebäude hin zur Quartiersebene so wichtig ist. „Im Bestandsquartier haben wir oft Denkmalschutz mit drin“, sagt Johannes Kreißig, Geschäftsführender Vorstand der DGNB. „Beim Kölner Dom können wir kein PV auf das Dach machen und das ist auch nicht erforderlich.“

Solitär betrachtet stehen unter Denkmalschutz stehende Bauwerke in Sachen Klima also nicht gut da, im Quartier jedoch kann dies oft ausgeglichen werden. Neue Gebäude können so errichtet werden, dass sie mehr Energie erzeugen als sie verbrauchen und den Überschuss an die älteren identitätsstiftenden Gebäude „abgeben“.

Darüber hinaus bietet der Quartiersansatz die Möglichkeit erneuerbare Energien, wie beispielsweise großflächige PV-Anlagen über Parkplätzen, effizienter zu nutzen und Anlagen sowie Speicher optimal zu betreiben. Quartiere nehmen für Klimaschutz im großen Stil also eine Schlüsselrolle ein. „Die Hebel sind einfach um ein Vielfaches größer. Hier werden frühzeitig Entscheidungen zugunsten des Klimaschutzes getroffen, die sich langfristig auf Gebäudeebene auswirken“, sagt Thomas Kraubitz. Der Stadtplaner und Direktor für das Thema Städte und Nachhaltigkeit bei Buro Happold spricht aus langjähriger Erfahrung. Auch als DGNB-Auditor hat er schon eine Vielzahl an nachhaltigen Quartiersprojekten begleitet. „Wenn man ein Quartier um nur fünf Prozent verbessert, hat man mehr erreicht als eine Elfenbeinmaßnahme auf Gebäudeebene.“

Das Bild zeigt ein Schema.
Quelle: DGNB
Fünf Handlungsfelder für eine klimaschonende Konstruktion.

Zehn Handlungsfelder

Worauf aber kommt es konkret an bei der Planung eines klimaneutralen Quartiers? Das Must-have ist laut Kraubitz ein integriertes Energiekonzept. Dazu ist es erforderlich, dass die Experten aus der Gebäudetechnik, der Infrastruktur und der Mobilität frühzeitig zusammenkommen, wie es auch das Zertifizierungssystem der DGNB fordert. „Das ist heute noch immer nicht Standard.“ Dieses Expertenteam entwickelt dann gemeinschaftlich eine Art Plug-in-System, das alle Stränge zusammenbringt, maximale Flexibilität ermöglicht und auf Veränderungen reagieren kann. Johannes Kreißig verweist auf zehn Handlungsfelder, die die DGNB mit Partnern zusammengestellt hat: fünf für einen klimaneutralen Betrieb und weitere fünf für die Konstruktion (s. Abb. 2 und 3). Entscheidend für eine zielgerichtete Planung ist die richtige Balance dieser. „Jedes Quartier hat andere Randbedingungen und erfordert eine individuelle Zusammenstellung geeigneter Maßnahmen für die Zielerreichung. Es ist klar, dass wir erneuerbare Energien brauchen. Aber es gilt auszuloten, welche Form für eine bestimmte Situation am meisten Sinn macht“. In dem Modellprojekt für Klimaneutralität „Neue Weststadt“ in Esslingen beispielsweise deckt die Photovoltaik auf den Gebäuden den Bedarf nicht ab, dafür gibt es aber ein intelligentes Versorgungssystem. „Wir dürfen nicht vergessen, dass auch erneuerbare Energien ein knappes Gut sind, das wir gezielt einsetzen sollten.“

Auch bei der Errichtung von Gebäuden machen die fünf Handlungsfelder deutlich, dass Planende einen größeren Spielraum zur CO2-Reduktion haben, als oft angenommen. Gerade auf städtebaulicher Ebene (Handlungsfeld 1) werden durch die Orientierung und Kompaktheit der Gebäude, Mobilitätsinfrastruktur oder auch die Energieversorgung wesentliche Entscheidungen getroffen, die große Auswirkungen auf die Gebäude haben. Wenn Gebäude nicht optimal zur Sonne orientiert sind und/oder sich gegenseitig verschatten, ist es unter Umständen später (wirtschaftlich) nicht möglich Gebäude klimaneutral zu betreiben.

Der Weg zum Ziel

Klimaschutz lässt sich nur mit der Erfassung von Daten erreichen, einem kontinuierlichen Monitoring und der Opti-on, jederzeit nachjustieren zu können. Die Grundlage ist also, dass die Verbrauchsdaten der einzelnen Gebäude zur Verfügung stehen. Im Rahmenwerk der DGNB ist eine Schritt-für-Schritt-Anleitung enthalten, die aufzeigt, wie Gebäude auf dem wirtschaftlichsten Weg in die Klimaneutralität geführt werden. Was die DGNB vorgibt, ist heute noch freiwilliges Mehrtun. Aber der transparente Umgang mit Energieverbräuchen und CO2-Emissionen wird immer mehr zum Standard. „Vieles wird ja auch gesetzlich kommen“, sagt Kreißig. Er verweist auf die bereits verpflichtende kommunale Wärmeplanung in Baden-Württemberg, mit der gute Erfahrungen gemacht werden und erklärt: „Es geht ja vor allem darum, Bedarfe und Versorgung aufeinander abzustimmen, um eine optimale Auslastung des Wärmenetzes zu erreichen. Dazu gehört auch die Planung in die Zukunft. Stehen Kernsanierungen an, ändert sich der Bedarf. Das sollte auf der Zeitschiene eingeplant sein.“

Weiterführende Informationen: https://www.dgnb.de/de/index.php

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