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"E-Mails sind keine Kommunikation…"

Interview mit Adrian Wildenauer, Senior Consultant bei der pom+Consulting AG

Dienstag, 11.07.2017

Wie definierst Du integrale Planung persönlich?

In meinen Augen ist integrale Planung das holistische Durchdringen des kompletten Planungsprozesses von der Idee bis zum Abriss – verbunden mit dem stetigen Streben nach Verbesserung von Prozessen und Abläufen.

Wichtig ist doch, die richtigen Fragen zu Beginn zu stellen, um ein Projekt korrekt aufzugleisen: Was braucht der Bauherr? Was sind seine Ziele? Was sind seine Nichtziele, sprich was gehört zur Aufgabenstellung? Wieso möchte er bauen? Was ist ihm besonders wichtig? Was ist ihm unwichtig?

Handschriftliche Notiz zur integralen Planung.
Quelle: privat
Integrale Planung ist das gemeinsame Miteinander und Verständigen auf eine gemeinsame Problemsuche und -lösung. Natürlich kann man integral planen ohne dreidimensionale Aspekte. Das hat ja schon in den Dombauhütten im Mittelalter funktioniert. Es braucht Offenheit, Transparenz und vor allem den Willen, beides stetig umzusetzen. Also: miteinander statt gegeneinander!

Allen Projektbeteiligten müssen Ziele und Aufgabenstellung klar sein und alle müssen vom Gleichen sprechen.

Oft herrscht Unzufriedenheit, weil die Projektbeteiligten, die eigentlich Partner sein sollten, aneinander vorbeireden und völlig unterschiedliche Herangehensweisen an den Tag legen, was per se nicht schlimm ist. Jeder kann und soll seine Aufgaben unterschiedlich lösen. Jedoch ist die tägliche Wahrheit die, dass man aneinander vorbeispricht: Der eine meint A, sagt B, wollte aber C. Beim Gegenüber kommt D an, er möchte aber E und ist verärgert, dass F ausgeliefert wird…

Wichtigstes Merkmal von integraler Planung ist nach meinem Dafürhalten die Einbeziehung von Informations- und Kommunikationstechniken und wichtiger, dazugehöriger Regeln. Eskalationsregeln, die nur in den wenigsten Projekten umgesetzt werden, sind zum Beispiel so wichtig! Was passiert bei Problemen? Hier gibt es zu wenige Projekte, die von Beginn an klare Strukturen haben.

Inwiefern beschäftigst Du dich mit dem Thema integrale Planung?

Das ist total eigennützig, weil ich mir das Leben als Planer einfacher machen möchte. Warum soll ich Energie in Streit und Eskalationen legen, wenn ich sie doch lieber darauf verwenden kann, die bestmögliche Lösung für den Bauherrn und das Bauprojekt zu finden?

Ab und zu erlebe ich auch heute noch Planer, die in ihrem Elfenbeinturm sitzen und kein Interesse an integraler Zusammenarbeit haben, da sie gerne die Lösung, die sie in der berühmten Schublade haben, einfach wieder im nächsten Projekt anwenden möchten. Das wäre doch so einfach, gemeinsam neue Techniken anzuwenden und Dinge besser zu machen! Ist das nicht der Reiz eines jeden neuen Projektes?

Portraitfoto von Adrian Wildenauer.
Quelle: privat
"In meinen Augen ist integrale Planung das holistische Durchdringen des kompletten Planungsprozesses von der Idee bis zum Abriss – verbunden mit dem stetigen Streben nach Verbesserung von Prozessen und Abläufen", so Adrian Wildenauer.

Bitte grenze integrale Planung vom Schlagwort BIM ab…

Building Information Modeling (BIM) ist nichts anderes als eine dreidimensional basierte Planung, es umfasst entgegen der landläufigen Meinung keinerlei kommunikations- oder informationstechnologische Tools. Virtual Design and Construction (VDC) ist sozusagen die Mutter von BIM und umfasst diese Aspekte samt dazugehöriger Prozesse. Das ist für mich nichts anderes als integrale Planung mit dem positiven Nebeneffekt eines modellbasierten Austauschs.

Integrale Planung dagegen ist das gemeinsame Miteinander und Verständigen auf eine gemeinsame Problemsuche und -lösung. Natürlich kann ich integral planen ohne dreidimensionale Aspekte. Das hat ja schon in den Dombauhütten im Mittelalter funktioniert. Allerdings ist es umgekehrt nicht möglich: Eine BIM-basierte Planung kann und wird nicht ohne integrale Planungsansätze funktionieren. Es braucht Offenheit, Transparenz und vor allem den Willen, beides stetig umzusetzen. Also: miteinander statt gegeneinander!

Suspekt finde ich persönlich, dass der Trend sofort zur 7D-Planung geht, also die Vermischung von Kosten, Terminen, Bauelementen, Abläufen und Abwicklung. Ob das Sinn macht, wage ich zu bezweifeln, wenn man sich nicht über die Grundzüge des Miteinanders verständigen kann. Man unterhält sich auf dem Bau über "HoloLens", Robotik-Lösungen und "Augmented Reality", schafft es aber nicht, sich mit seinem Gegenüber lösungsorientiert zu unterhalten. So etwas schafft nur Unsicherheit beim Gegenüber. Oft erlebe ich es, dass die Projektbeteiligten total verunsichert sind, was nun der BIM-Berater eigentlich möchte? Werde ich als Planer nun redundant und werde nicht mehr benötigt? Sinkt mein Honorar? Muss ich mehr leisten für weniger Geld?

Liebe Planer, das ist absoluter Nonsens! Nicht weil ich BIM anwende, werde ich redundant, sondern wenn ich es nicht mehr anwende, werde ich redundant in Zukunft.

Allerdings muss ich ergänzen, dass BIM mittlerweile ein Unwort für mich ist, da sich nun viele mit dieser Abkürzung schmücken, aber keiner so richtig und genau weiß, was das nun eigentlich ist. Ordnung ist so wichtig in Projekten – ob nun mit BIM oder ohne! BIM kann ungeordnet genauso viel oder sogar noch mehr Probleme generieren wie eine "bisherige" zweidimensionale Planung. Auch BIM benötigt Regeln, vermutlich noch mehr als das "alte" Planerleben mit Zeichenbrett und Tuschestift.

Ein Cartoon zum Thema CAD.
Quelle: www.cadcartoons.com
Warum soll man Energie in Streit und Eskalationen legen, wenn man sie doch lieber darauf verwenden kann, die bestmögliche Lösung für den Bauherrn und das Bauprojekt zu finden?

Du befasst dich seit nunmehr 13 Jahren mit den Prozessen rund um BIM. Ein Fazit…?!

Miteinander statt gegeneinander! Es fällt vielen im Bauwesen schwer, über Lösungen zu diskutieren. Oft gibt es nur das Problem und keine Lösungsansätze. Warum machen wir uns auf dem Bau das Leben oft so schwer und umständlich? Warum sind wir nicht ehrlich zueinander? Wir wussten doch sicherlich schon früher als gedacht, dass es nicht möglich ist, eines der weltbesten Opernhäuser für 77 Mio. Euro zu bauen. Warum wurde dann nicht von vornherein ehrlich kommuniziert? Wir wissen alle, dass die Bauindustrie nicht dafür bekannt ist, dass sie besonders innovativ ist. Ich sage hier immer, dass die zwei größten Erfindungen der Baubranche in den letzten 40 Jahren Silikon und Bauschaum sind…

Für mich ist es ebenfalls befremdlich, dass die Innovationen nicht aus der Baubranche selbst kommen, sondern, wie zum Beispiel in der Schweiz, die Innovationen oftmals vom Bauherrn ausgehen. Diese haben wenig mit dem Bauen zu tun und sind doch die größten Innovatoren auf dem Bau. In der Schweiz sind viele Krankenhausbetreiber und Pharmafirmen die großen Treiber von Neuerungen.

Ist das nicht komisch, dass immer Externe diejenigen sind, die andere Branchen aufrütteln? Hier möchte ich nur Google-"Nest" erwähnen. Baufremde Anbieter kommen mit neuartigen Produkten und werden zu Trendsettern und, wichtiger, Taktgeber in der Branche. Ist das nicht paradox? Sind wir auf dem Bau nicht mehr kreativ genug?

Weiterführende Informationen: http://www.pom.ch

Von Jörg Gamperling
Chefredaktion HeizungsJournal

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