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BIM

"Alle können dazulernen…"

Interview mit Gunther Gamst, Geschäftsführer Daikin Airconditioning Germany GmbH

Dienstag, 08.08.2017

Gunther Gamst, Geschäftsführer Daikin Airconditioning Germany GmbH, betont im Interview mit Jörg Gamperling, Redaktion Integrale Planung, die Relevanz des interdisziplinären, kommunikativen Arbeitens am Bau und fordert von allen Beteiligten ein höheres Maß an Lernfähigkeit.

Foto von Gunther Gamst.
Quelle: Integrale Planung/Gamperling
"Unser Gewerk ist keine "Rocket Science"! Vor allem dann nicht, wenn man konsequent auf eine Baukasten-Systemtechnik aus großindustrieller Fertigung setzt und es vermeidet, Dinge von verschiedensten Herstellern höchst individuell zusammenzubauen“, betont Gunther Gamst.

Die Heizungs-Journal Verlags-GmbH hat im November 2015 und Mai 2016 die ersten beiden Editionen "Integrale Planung" herausgegeben und damit unter anderem dem Thema "Teamorientiertes Planen und Bauen" ein Forum geboten. Ganz allgemein gefragt: Wie definieren Sie "Integrale Planung" persönlich?

Eine eigene Definition zu finden, ist schwierig. Wenn man Gebäude aber effizient machen will, dann kommt man nicht drum herum, sich früh mit dem Thema von "A bis Z" ausein­anderzusetzen. Integrale Planung heißt ja nicht, eine schöne 3D-Zeichnung zu erstellen, sondern der Frage nachzugehen: Wie kann ich ein Gebäude langfristig nachhaltig, effizient gestalten?

Außerdem geht es darum, schon früh technische oder organisatorische Fallstricke aufzudecken. Es geht um Koordi­nation von Terminen und Gewerken. Gerade da liegt noch viel Potential, welches gehoben werden kann.

Das hat also schon Charme, die integrale Planung, alleine schon aufgrund der Komplexität von heutigen Gebäuden. Wenn ich mir da auch unsere Projekte anschaue, egal ob das das Hotel am Hamburger Flughafen oder das "FOR F.R.E.E."-Hotel in Neustadt in Holstein ist: Wir statten hier ja nicht nur einzelne Zimmer aus, sondern den gesamten Komplex mit unserer Klima-, Kälte-, Lüftungs- und Heizungstechnik. Das komplette Portfolio. An dieser Stelle bin ich fest davon überzeugt, dass an einer integralen Planung mit Building Information Modeling (BIM) kein Weg vorbei geht.

Die Frage ist natürlich: Wie soll das ein kleines Ingenieurbüro stemmen? Wie bleibt dieses Ingenieurbüro in Zukunft wett­bewerbsfähig? Wie tastet es sich überhaupt vernünftig an die Methoden der integralen Planung heran?

Aber auch größere Generalunternehmer tasten sich an diese Planungs- und Bauphilosophien erst ganz vorsichtig heran. Und schließlich darf man die installierenden Unternehmen nicht vergessen bzw. abhängen!

Es geht in allen Fällen – ob kleines Ingenieurbüro, großer Generalunternehmer oder Handwerk und Anlagenbau – nun erst einmal darum, die entsprechenden technischen Grundlagen zu legen, sich über Schnittstellen klar zu werden. Es geht darum, Routinen und Arbeitsweisen umzustellen und dabei alle Mitarbeiter mitzunehmen.

Wir sollten auch nicht vergessen, dass es Wirtschaftsbereiche gibt, die schon disruptive Veränderungen erlebt haben – Stichwort: Ryanair oder Uber. Auch in der Bauindustrie und der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) werden solche schlagartigen Entwicklungen stattfinden. Da bin ich mir sicher.

Inwiefern beschäftigt sich Ihr Unternehmen mit dem Thema "Integrale Planung" bzw. wo finden sich konkret Anknüpfungspunkte?

Unser Ansatz ist es, frühzeitig mit dem Investor zu sprechen. Wir versuchen ihm klarzumachen, dass das Gebäude zum späteren Nutzer und Betreiber passen muss. Es ist doch ein Unterschied, ob eine Person in einem Gebäude langfristig arbeitet oder nur einmal übernachtet. Daran orientiert sich letztendlich auch die Komplexität der installierten Technik – kein Hotelgast braucht ernsthaft eine 13-seitige Bedienungsanleitung für die Klimaanlage. Es muss einfach sein! Und da, glaube ich, kann integrale Planung dabei helfen, Komplexität zu reduzieren. Stichwort: "easy to use". Aber nicht nur für den Nutzer, auch für die Person, die den Service macht, für das Facility Management.

Das Problem unserer Branche ist es doch, dass wir alles zu kompliziert machen in unserer Technikverliebtheit. Da müssen wir raus und versuchen, den klassischen Zielkonflikt aus Energieeffizienz-Geboten und Komfort bzw. Bedienbarkeit für den Nutzer und Betreiber aufzulösen.

Unsere Systemtechnik kann dazu beitragen. Die Nutzer und Betreiber sind es doch am Ende des Tages, die 20, 25 oder 30 Jahre mit dem Gebäude samt Gebäudetechnik leben müssen – im wahrsten Sinne des Wortes. Sprich: Wir müssen weiterhin dafür sorgen, dass sich nicht nur die geneigten Bauherren aufgrund der Investitionskosten für die Art und Qualität der Klima-, Kälte-, Lüftungs- und Heizungstechnik interessieren, sondern dass auch der Betreiber weiß, welche Kosten auf ihn zukommen.

Das heißt, schlicht und ergreifend, wir müssen die Nutzer und Betreiber dazu auffordern, aktiv mitzure-den in Sachen Technischer Gebäudeausrüstung und ihnen dann auch zuhören. Wir müssen da regelrecht eine Wand durchbrechen, damit Investor, Architekt, Fachingenieur, Nutzer und Betreiber von Anfang an in einem Boot sitzen. Dass das wirklich geht, hat zum Beispiel unser Hotel-Projekt "FOR F.R.E.E." aufgezeigt, mit teil­weise tollen Synergieeffekten. Man muss eben "nur" mit den Leuten ins Gespräch kommen!

Mit welchen Mitteln unterstützt Daikin Architekten, Fachplaner, Ingenieure und Anlagenbauer bei Projekten, welche ganzheitlich geplant, gebaut und betrieben werden sollen?

Fakt ist doch aktuell leider, dass die Leute, die in ein Gebäude investieren wollen, sich direkt wegducken, wenn das Stichwort TGA fällt. Nach dem Motto: Ich kann Zimmer vermieten, ein Restaurant führen. Aber bitte lass‘ mich mit diesen technischen Detailfragen in Frieden, die ich eh‘ nicht verstehe.

Dabei ist unser Gewerk ja keine "Rocket Science"! Vor allem dann nicht, wenn man konsequent auf eine Baukasten-Systemtechnik aus großindustrieller Fertigung setzt und es vermeidet, Dinge von verschiedensten Herstellern höchst individuell zusammenzubauen.

Dennoch: Ein funktionierendes Netzwerk aus Architekt, Fachplaner und Anlagenbauer bleibt essentiell. Die Kompetenz eines Fachingenieurs bleibt wichtig – einer muss die Zusammenhänge und das Zusammenwirken der technischen Systeme schließlich kennen und verstehen. Ansonsten kommt der spätere Nutzer wiederum nicht zu dem Gebäude, das er bestellt hat.

Die planende Zunft darf sich die Butter nicht vom Brot nehmen lassen. Ein modernes Ingenieurbüro braucht eine breite Brust – vor allem bei der integralen Planung! Die Aufgabe für uns als Hersteller liegt im "rückendeckenden" Service, zum Beispiel in der Planungsunterstützung.

Die integrale Planung mit der BIM-Methodik ist also eine Chance für das Ingenieurbüro, sich interessant zu machen. Keiner wird hergehen und nach BIM-Gesichtspunkten erarbeitete Projekt-, Termin- und Abwicklungspläne oder technische Fachplanungen einfach so über den Haufen werfen. Hier kann ein Ingenieur seine Quali­fikation zeigen – unterstützt durch seine Top-­Lieferanten, die ihm nicht nur ordentliche Hardware liefern, sondern auch ordentliche digitale Produktdaten. So kann er höchste Sicherheit für den Bauherren und für sich gewährleisten.

Ich bin der Meinung, ein Fachplaner, ein Ingenieur oder ein Architekt kann und sollte sich sehr wohl festlegen auf "seine Top-Lieferanten" bzw. "seine Marken", die ihn über alle Leistungs­phasen, über den gesamten Gebäudelebens­zyklus unterstützen. Auch dadurch wird Qualität und Ausführungs-/Betriebssicherheit transportiert – Stichwort: Garantiezeiten.

Die Philosophie haben wir bei Daikin schon lange: Für uns endet der Kundenkontakt nicht nach dem Verkauf des Systems. In Projekten verstehen wir uns auch als Vermittler und stellen unser Netzwerk zur Verfügung, beispielsweise dann, wenn Fragen zur Fassadentechnik, Büroausstattung oder Ähn­liches auftauchen.

Unser prominentestes Beispiel, wie wir über den Netzwerkgedanken zu guten technischen ­Lösungen kommen, ist die Drogeriemarkt-Kette dm, mit der wir seit etwa acht bis neun Jahren erfolgreich zusammenarbeiten. Da geht es nicht nur um Neuinstallationen, sondern um die Organisation der Wartung, der Serviceeinsätze, um das Schulen von Personal und um die Informa­tion der dm-Mitarbeiter vor Ort.

Eine dm-Filiale von innen.
Quelle: dm-drogerie markt GmbH & Co. KG/Sabine Jakobs

Die dm-Musterfiliale in Schondorf von außen.
Quelle: dm-drogerie markt GmbH & Co. KG/Sabine Jakobs
Dass es sich lohnt, in die frühen Projekt- und Planungsphasen viel Gehirnschmalz zu investieren, das zeigt die dm-Musterfiliale in Schondorf. Denn das gefundene Konzept eignet sich dazu, es tausendfach zu kopieren.

Hier hatten wir das Glück, einen Investor und gleichzeitig Betreiber zu finden, der das auch wünscht und zulässt! Es ist nämlich nicht selbstverständlich, dass ein Bauherr einen Nutzen für sich darin sieht, dass sich seine Lieferanten und Hersteller zusammentun und miteinander über die technisch beste Effizienz-Lösung sprechen. In den meisten Fällen läuft das doch viel einfacher und nach dem bekannten Strickmuster ab: Nenne mir doch mal bitte einen Preis…

Dass es sich aber lohnt, in die frühen Projekt- und Planungsphasen viel Gehirnschmalz zu investieren, das zeigt das Beispiel dm-Drogerie eindrucksvoll. Denn das gefundene Konzept taugt dazu, es tausendfach zu kopieren.

Weiterführende Informationen: http://www.daikin.de/

Von Jörg Gamperling
Chefredaktion HeizungsJournal
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